Britische Filmindustrie trotzt Corona-Pandemie dank Streaming-Boom

Mediathek von Disney+ - Bild: fsvfe via Twenty20
Mediathek von Disney+ - Bild: fsvfe via Twenty20

Das Wort „Krise“ ist derzeit im Kulturbereich wegen der Corona-Pandemie in aller Munde. Die britische Film- und Fernsehindustrie bildet da eine bemerkenswerte Ausnahme: Sie boomt, vor allem wegen der starken Zuwächse bei Streamingdiensten wie Netflix und Disney+. In den vergangenen Jahren lockten spektakuläre Landschaften, gotische Schlösser und hochmoderne Studios immer mehr internationale Produktionen ins Vereinigte Königreich. 

Von Erfolgsfilmreihen wie „James Bond“ oder „Star Wars“ bis zum US-Serienhit „Game of Thrones“ wurden und werden internationale Blockbuster in Großbritannien gedreht. 2019 erwirtschaftete der britische Filmsektor mit 140.000 Angestellten umgerechnet 4,1 Milliarden Euro.

„Die britische Filmindustrie ist eine riesige Erfolgsgeschichte und leistet einen großen Beitrag zur Kultur- und Kreativwirtschaft in Europa“, schwärmt Gary Davey, der Geschäftsführer der Produktionsfirma Sky Studios. „Wir sind reich an Talenten, sowohl auf der Leinwand als auch dahinter“. 

Für 2022 plant der US-Mutterkonzern Sky die Eröffnung neuer Studios für mehrere Milliarden Pfund in Hertfordshire nördlich von London – dem britischen Hollywood mit den berühmten Elstree-Studios, wo die „Star Wars“-Filme, „Indiana Jones“, „Superman“ und „The Shining“ gedreht wurden.

„Das Vereinigte Königreich ist ein sehr guter Standort für Dreharbeiten“, sagt auch der Geschäftsführer der indischen Produktionsfirma Abundantia Entertainment, Vikram Malhotra. „Es ist aus historischen Gründen ein bevorzugter Drehort für viele indische Filme.“ 

Neben talentierten Schauspielern und gut ausgebildeten Filmteams bietet Großbritannien seit 2007 auch Steuererleichterungen für die Filmindustrie. Malhotra lobt aber auch den Umgang Londons mit der Pandemie: „Die Regierung und ihre Ministerien haben schnell reagiert und geholfen, vor allem bei der Produktion. Das hat Großbritannien noch attraktiver gemacht.“

So genehmigte die Regierung in London Anfang Juli – als das Land aus dem ersten Lockdown kam – die Wiederaufnahme der Dreharbeiten für „Mission Impossible 7“ und stellte die Mitwirkenden von der Quarantäneregelung frei. Kulturminister Oliver Dowden, der als Abgeordneter für Hertsmere und damit der Heimat der Elstree-Studios im britischen Parlament sitzt, nahm sogar mit „Mission: Impossible“-Star Tom Cruise Kontakt auf. 

Trotz des derzeitigen zweiten Lockdowns gehen die Dreharbeiten weiter: „Die überwiegende Mehrheit unserer Shows in Großbritannien und international laufen jetzt wieder“, sagt David McGraynor, der Chef von ITV-Studios, der multinationalen Fernsehproduktions- und Vertriebsfirma des britischen Senders ITV.

Aufgrund eines strikten Hygienekonzepts arbeitet Sky pro Produktion mit mehreren Teams, die eng miteinander in Kontakt stehen: „Die wenigen Covid-Fälle, die wir am Set hatten, wurden alle sehr schnell eingedämmt, was beweist, dass die Methode funktioniert“, sagt Geschäftsführer Davey. „Die Produktionen können deshalb etwas länger dauern, denn die Vorarbeiten und die Planung brauchen jetzt einfach mehr Zeit.“ 

Die Branche hat sich schnell angepasst, sagt Davey. „Die Produzenten mussten kreativer werden, sich Handlungen neu ausdenken und neue Technologien beim Bearbeiten der Filme im HomeOffice einsetzen, um Programme pünktlich und innerhalb des Budgetrahmens zu liefern.“

Neben den für 2022 geplanten Sky Studios Elstree will westlich von London auch der US-Konzern Blackhall neue Studios eröffnen. Netflix schloss einen Vertrag mit den Londoner Shepperton-Studios ab, und Disney ging eine Partnerschaft mit den klassischen Pinewood Studios ein, die nun ihren mit den 007-Filmen weltberühmt gewordenen Standort ausbauen und ihn mit Attraktionen auch der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen.

„Wir haben all diese unglaublichen Möglichkeiten“, schwärmte der Leiter der britischen Filmförderung, Adrian Wootton, kürzlich bei einer Konferenz. „Sie hören nicht auf wegen Covid. Tatsächlich ist die Nachfrage sogar noch größer. Wenn wir diesen Boom nutzen können, kommen wir vielleicht auf sechs Milliarden Pfund (6,7 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2024.“

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