Auf der Anklagebank sieht sie selbst fast noch aus wie ein Kind – eine zarte junge Frau mit langen, glatten Haaren und leiser Stimme, die in ihrem Strickkleid aus grüner Wolle vollkommen harmlos wirkt. Und doch soll die 25-jährige Erzieherin Sandra M. immer wieder Kinder misshandelt haben, auf die sie eigentlich hätte aufpassen müssen. Damit kam sie so lange unbehelligt davon, bis eines der Kinder im April starb – die dreijährige Greta aus Viersen. Der Fall sorgte bundesweit für Aufsehen.
In acht Fällen soll M. immer auf dieselbe Weise wehrlose, meist schlafende Kleinkinder verletzt haben. Wenn sie allein mit den ihnen war, soll sie den Kindern den Brustkorb zusammengedrückt haben, bis sie keine Luft mehr bekamen. Manche ihre Opfer liefen blau an oder bluteten aus dem Mund, andere verloren das Bewusstsein.
Gerade noch rechtzeitig informierte die Erzieherin dann ihre Kollegen darüber, dass mit dem jeweiligen Kind etwas nicht in Ordnung ist. Stets wurde ein Notarzt hinzugerufen, der die Opfer reanimierte. Seit 2017 soll die Erzieherin auf diese Weise Kleinkinder in Einrichtungen in Krefeld, Kempen und Tönisvorst misshandelt haben.
„Die Taten sind dadurch aufgefallen, dass ein Kind tragischerweise nicht überlebt hat“, sagt Stefan Lingens von der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach beim Prozessauftakt. Wegen des mutmaßlichen Mordes an der dreijährigen Greta und wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen in acht weiteren Fällen muss sich die 25-jährige Tatverdächtige seit Dienstag vor dem Landgericht Mönchengladbach verantworten.
Laut Anklage brachte ein Kollege von M. die kleine Greta am 21. April zum Mittagsschlaf ins Bett und ließ M. dann mit dem Kind allein. Die 25-Jährige habe daraufhin den Brustkorb des schlafenden Kinds bis zum Atemstillstand zusammengedrückt. Ein hinzugerufener Notarzt konnte das Mädchen reanimieren. Dennoch starb es wenige Tage später im Krankenhaus an einem hypoxischen Hirnschaden, einer schweren Verletzung infolge von Sauerstoffmangel.
M. hört sich die Vorwürfe schweigend an. Eine Regung zeigt sie nur, als der Vorsitzende Richter sie darum bittet, ihren Mund-Nasen-Schutz für die Verlesung der Anklage abzulegen.
Die Mutter der getöteten Greta tritt im Verfahren als Nebenklägerin auf. Aus Opferschutzgründen betritt sie den Saal erst später, abseits der Blicke der Journalisten. Für sie spricht ihre Anwältin Marie Lingnau: „Greta war ein fröhliches Kind, das gern in die Kita gegangen ist.“ Der Prozess solle aufklären, wie das Mädchen an einem vermeintlich geschützten und sicheren Ort zu Tode kommen konnte. Die beiden Brüder von Greta bräuchten ihre Mutter „nun mehr als jemals zuvor“.
Vorgesetzte und Kollegen sollen die Erzieherin schon während ihrer Probezeit als „für den Beruf der Erzieherin ungeeignet“ beschrieben haben. Sie sei „emotions- und teilnahmslos“, was zu ihrem stillen Auftritt bei Gericht zu passen scheint. Zwei medizinische Gutachter sollen für die Kammer eine psychologische Beurteilung der Angeklagten erstellen.
Laut einem Gerichtssprecher gibt es eine „Vielzahl von Zeugen“, die im Prozessverlauf aussagen sollen. Sollte M. des Mordes schuldig gesprochen werden, droht der 25-Jährigen eine lebenslange Freiheitsstrafe.