Freispruch für Anwalt im Prozess um erfundenes NSU-Anschlagsopfer

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
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Im Verfahren gegen einen Rechtsanwalt wegen eines erfundenen Anschlagsopfers der rechtsextremen Terrorzelle NSU hat das Landgericht Aachen den angeklagten Juristen freigesprochen. Das Gericht begründete den Freispruch am Montag damit, der 53 Jahre alte Rechtsanwalt aus Eschweiler sei nicht in die Erfindung des angeblichen Opfers eingebunden gewesen und habe auch nichts davon gewusst. Allerdings habe sich der Anwalt womöglich berufliche Nachlässigkeiten erlaubt – ob diese berufsrechtliche Folgen haben, muss nun die Rechtsanwaltskammer klären.

In dem Mammutverfahren um die zehn Morde, zwei Bombenanschläge und mehr als ein Dutzend Überfälle der rechtsextremen Terrorzelle NSU traten von 2013 an vor dem Oberlandesgericht München 95 Opfer der Terrorzelle als Nebenkläger auf, die von 60 Rechtsanwälten vertreten wurden. Erst nach mehr als zwei Jahren und über 230 Verhandlungstagen fiel 2015 auf, dass der nun freigesprochene Rechtsanwalt eine gar nicht existierende Frau vertrat, die zu den Opfern des Nagelbombenanschlags des NSU in der Kölner Keupstraße zählen sollte. 

Der Anwalt hatte früh eingeräumt, nie persönlichen Kontakt zu seiner angeblichen Mandantin gehabt zu haben – ein anderer Nebenkläger hatte ihn angeworben. Die Mandantin soll in der Türkei gelebt haben und unter erheblichen gesundheitlichen Problemen gelitten haben. Nach dem Aachener Urteil hatte der mittlerweile verstorbene Nebenkläger Attila Ö. die Frau erfunden.

Vor dem Auffliegen der Erfindung erhielt der Rechtsanwalt mehr als 200.000 Euro aus der Justizkasse Bayerns. Dieses Geld zahlt er bereits seit geraumer Zeit zurück. Eine Härteleistung für das erfundene Opfer in Höhe von 5000 Euro hatte der Rechtsanwalt an den verstorbenen Nebenkläger Ö. ausgezahlt.

Mit dem Urteil folgte das Landgericht der Forderung der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft hatte hingegen zwei Jahre Haft auf Bewährung sowie im Bereich des Strafrechts ein zweijähriges Berufsverbot gefordert. Offen ist, ob die Staatsanwaltschaft nun in Revision geht.

In dem Prozess ging es auch um Vorwürfe, der Rechtsanwalt könnte sich im Zusammenhang mit dem Loveparade-Verfahren des versuchten Betrugs schuldig gemacht haben. Dabei ging es um den Verdacht, er könnte vorsätzlich versucht haben, unberechtigt als Nebenklägervertreter zugelassen zu werden. Auch von diesem Vorwurf sprach das Gericht den Angeklagten frei. 

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