Nach Querdenker-Demonstration in Leipzig weiter Debatte über Polizeistrategie

Symbolbild: Reichstag/Bundestag
Symbolbild: Reichstag/Bundestag

Nach der eskalierten sogenannten Querdenker-Demonstration in Leipzig wird weiter über die Einsatzstrategie der Polizei diskutiert. SPD-Chefin Saskia Esken kritisierte das Polizeikonzept am Montag als „unverantwortlich“, was CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak zurückwies. Die Linke bekräftigte indes ihre Rücktrittsforderung an Sachsens Innenminister Roland Wöller (CDU). Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) will die Querdenker-Bewegung stärker in den Fokus nehmen, der Thüringer Verfassungsschutzchef hält sie für extremistisch.

Esken warf Wöller und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) vor, sie hätten die Polizistinnen sehenden Auges und völlig unzureichend ausgestattet in diese Situation laufen lassen. Während der vom Oberverwaltungsgericht Bautzen erlaubten Demonstration gegen Corona-Maßnahmen in der Leipziger Innenstadt mit rund 20.000 Teilnehmern gab es zahlreiche Verstöße gegen die Auflagen.

Nachdem die Polizei die Veranstaltung deswegen vorzeitig aufgelöst hatte, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Daran waren auch Rechtsextreme und Hooligans beteiligt. Solche Ereignisse würden immer wieder verharmlost, kritisierte Esken mit Blick auf das Demonstrationsgeschehen. „Die Polizei kann so was strategisch verhindern, wenn es gewollt ist“, betonte sie.

Ziemiak hält diese Kritik für „fehl am Platz“. Eine „abschließende Beurteilung“ des Polizeieinsatzes sei derzeit noch nicht möglich, sagte er nach einer CDU-Präsidiumssitzung in Berlin. Esken solle nicht einfach gegen die Polizei „lospoltern“.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) verteidigte die auf Deeskalation ausgerichtete Strategie der Polizei vom Wochenende. „Gegen Maskenverweigerer Wasserwerfer einzusetzen, ist nicht verhältnismäßig“, sagte GdP-Vizechef Jörg Radek den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, wies Kritik zurück. Man habe der Polizei im Namen der Versammlungsfreiheit „eine schier unmögliche Aufgabe übertragen“, sagte er im Südwestrundfunk. Bundesinnenminister Seehofer hatte der Polizei „volle Rückendeckung“ zugesprochen.

Die Linke forderte erneut personelle Konsequenzen. Der Fraktionsvorsitzende im sächsischen Landtag, Rico Gebhardt, warf Landesinnenminister Wöller „andauerndes Führungsversagen“ vor. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) müsse Wöller „unverzüglich aus dem Amtsverhältnis entlassen“. Auch die Linke im Bund forderte den Rücktritt des Ministers.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) forderte eine stärkere Auseinandersetzung mit den Querdenkern. „Es ist das Recht, zu demonstrieren, aber es gilt nicht das Recht, die Gesundheitsmaßnahmen außer Kraft zu setzen“, sagte Söder vor Beratungen des CSU-Vorstands am Montag in München. „Es gibt keine Sonderrechte für Querdenker.“

Söder zufolge muss das „Phänomen Querdenker“ stärker geprüft und genauer darauf geschaut werden, was dahinter stecke. Er sei in Sorge angesichts der aggressiven Argumentation auch im Internet.

Der Präsident des Thüringer Landesamts für Verfassungsschutz, Stephan Kramer, hält die Querdenken-Bewegung inzwischen selbst für extremistisch. „Bisher sind wir davon ausgegangen, dass diese Bewegung eine kunterbunte Melange mit teilweise rechtsextremistischen Zügen ist“, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Es werde aber „immer deutlicher, dass sie nicht nur von Rechtsextremisten gekapert werden, sondern dass Querdenken selbst extremistisch wird.“

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