Die Opposition will sich einer Neuregelung zu Online-Wahlen für Parteivorstände nicht verschließen, steht einer Grundgesetzänderung aber skeptisch gegenüber. Das Parteiengesetz solle so geändert werden, dass Vorstände digital gewählt werden können, sagte Grünen-Chefin Annalena Baerbock. Eine Verfassungsänderung sei aber nicht erforderlich. FDP-Parlamentsgeschäftsführer Marco Buschmann plädierte im „Spiegel“ für eine „seriösen Debatte um digitalere Wahlen“. Er wandte sich aber gegen ein „Schweinsgalopp-Verfahren, um mit einer Grundgesetzänderung den nächsten CDU-Parteitag zu retten“.
Die Debatte über Online-Wahlen von Parteien war aufgekommen, weil CDU und Linke ihre Wahlparteitage wegen der Corona-Krise zunächst absagen mussten. Bei den Christdemokraten soll der neue Parteichef Mitte Januar gewählt werden, dies hatten die Vorsitzanwärter Friedrich Merz, Armin Laschet und Norbert Röttgen am Wochenende vereinbart. Bislang ist offen, in welchem Format CDU-Parteitag und Wahl stattfinden. Für eine Online-Wahl müsste zunächst eine rechtliche Grundlage geschaffen werden.
Die Frage, ob für digitale Vorstandswahlen eine Änderung des Parteiengesetzes oder gar des Grundgesetzes notwendig wäre, ist umstritten. Eine von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) beim Wissenschaftlichen Dienst des Parlaments in Auftrag gegebene Prüfung ergab, dass eine Änderung des Parteiengesetzes ausreichen könnte. Sollte der Gesetzgeber aber von der Sicherheit der dabei einzusetzenden De-Mail „nicht uneingeschränkt überzeugt sein, könnte er seinen Gestaltungsspielraum erweitern“, heißt es in dem AFP am Montag vorliegenden Gutachten.
Zu diesem Zweck könne er das Grundgesetz ändern und beispielsweise in Artikel 21 des Grundgesetzes die Formulierung einfügen: „Für parteiinterne Wahlen können Abweichungen von den Wahlrechtsgrundsätzen zugelassen werden.“ Die scheidende CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer für sich für eine Grundgesetzänderung ausgeprochen und dabei auf die Wahlrechtsgrundsätze verwiesen.
Auch Linken-Chef Bernd Riexinger bekundete seine Bereitschaft zu einer Gesetzesänderung. Allerdings gebe es bei digitalen Abstimmungen besondere Hürden. So müsse sichergestellt werden, dass die parteiinternen Wahlen sicher sind, dass alle den gleichen Zugang haben, und dass sie nicht manipuliert oder gehackt werden können. „Diese Gefahren sind für digitale Wahlparteitage ziemlich groß.“
Der Chef der CDU-Nachwuchsorganisation Junge Union, Tilman Kuban, warnte derweil vor rechtlichen Unsicherheiten bei einer Briefwahl zur Wahl eines neuen Vorsitzenden. „Theoretisch können für die Briefwahl noch weitere Kandidaten ihren Hut in den Ring werfen, die vorher gar nicht online kandidiert haben“, sagte er der „Rheinischen Post“.
Deswegen müssten die rechtlichen Voraussetzungen für digitale Wahlen verbessert werden. „Ich hoffe aber, dass sich alle ihrer Verantwortung bewusst sind und jetzt eine unkomplizierte und sichere Wahl ermöglichen“, sagte Kuban. „Wir brauchen eine unangreifbare Entscheidung am 16. Januar.“ Die Junge Union will am Dienstag das Ergebnis ihrer internen Mitgliederbefragung zu den Vorsitzkandidaten vorstellen.