In einem Schritt zur Schwächung der Opposition plant die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orban die Änderung des Wahlrechts. Der am Dienstagabend vorgelegte Vorschlag hätte zur Folge, dass es kleineren Parteien erschwert wird, ihre Kräfte bei der Parlamentswahl 2022 zu bündeln. Stattdessen müsste die Opposition in der Hälfte aller Wahlkreise einen Kandidaten aufstellen, um auf nationaler Ebene eine Liste vorlegen zu können.
Gegenwärtig werden 93 der 199 Sitze im ungarischen Parlament auf der Grundlage landesweiter Parteilisten vergeben, die restlichen Sitze werden in einzelnen Wahlbezirken gewonnen. Das Gesetz hingegen würde vorschreiben, dass die Parteien in 50 statt in bislang 27 Wahlkreisen kandidieren müssen, um auf die landesweite Wahlliste zu kommen.
Orbans Regierung verteidigte ihren Vorstoß: Sie argumentierte, dass die Änderung die Aufstellung kleiner „Schein“-Parteien verhindern würde, die nur versuchten, staatliche Zuschüsse zu erhalten. In einer gemeinsamen Erklärung der Oppositionsparteien hieß es hingegen, „inmitten der Pandemie sollte die Regierung ihre Bemühungen auf die Krise konzentrieren und Leben retten, aber stattdessen ergreift sie verzweifelte Maßnahmen“. Orban befürchte, „die Wahlen 2022 zu verlieren, während er weiterhin auf unmenschliche und abscheuliche Weise regiert“.
Der Schritt erfolgte inmitten einer Reihe von Gesetzesvorhaben, die am späten Dienstag eingereicht wurden. Darunter fällt auch ein Entwurf für eine Verfassungsänderung, welche die Definition der Ehe verschärfen und die Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare effektiv verbieten würde.
Ungarn steht zusammen mit Polen seit Jahren in der EU wegen rechtsstaatlicher Verfehlungen am Pranger. Gemäß des sogenannten Rechtsstaatsmechanismus, der an den neuen Sieben-Jahres-Haushalt der EU gekoppelt werden soll, sollen künftig die Zahlungen an Mitgliedstaaten bei Verstößen gegen die Grundrechtecharta gekürzt werden können.