Mehrere für Mittwoch nahe des Bundestags in Berlin angekündigte Proteste gegen die Reform des Infektionsschutzgesetzes sind von der Bundesregierung verboten worden. Das Innenministerium lehnte nach eigenen Angaben am Dienstag zwölf Anträge auf Kundgebungen im Einvernehmen mit Bundestag und Bundesrat ab. Zuvor hatte es Warnungen vor Ausschreitungen gegeben.
Demonstrationen in dem befriedeten Bezirk um Bundestag und andere Verfassungsorgane können laut Gesetz nur zugelassen werden, wenn keine Beeinträchtigung von deren Arbeit oder eine Behinderung des freien Zugangs zu befürchten sind. „Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt“, erklärte das Innenministerium. Vielmehr werde ausdrücklich dazu aufgerufen, die Zugänge zum Parlament zu blockieren.
Auch das Landeskriminalamt (LKA) Berlin warnte laut einem Bericht der Zeitung „Die Welt“ vor Angriffen auf den Bundestag. Das Blatt zitierte am Dienstag aus einem Schreiben der Bundestagspolizei an Abgeordnete, in dem darauf hingewiesen werde. Auch die Parlamentspolizei warnt demnach ausdrücklich, dass sich „politisch radikale und teilweise gewaltbereite Kreise an den Kundgebungen beteiligen“ könnten.
Mit dem neuen Infektionsschutzgesetz sollen unter anderem Maßnahmen zum Schutz vor der Corona-Pandemie auf eine sicherere rechtliche Grundlage gestellt werden. Zugleich wird für solche Einschränkungen etwa eine Befristung und eine Begründungspflicht vorgeschrieben.
Gegen das Gesetzesvorhaben gibt es zahlreiche Protestaufrufe von Gegnern der Corona-Schutzmaßnahmen. Eine offiziell angemeldete Demonstration eines sogenannten „Netzwerks Impfentscheid“ wurde allerdings vom Veranstalter selbst abgesagt. Grund dafür ist laut einer Nachricht im Messengerdienst Telegram „das Risiko gewalttätiger Auseinandersetzungen nach einer massiven Mobilisierung links- und rechtsextremistischer Gruppen“.
Gleichwohl geht das LKA Berlin laut „Welt“ von Protesten mit „Teilnehmerzahlen im oberen vierstelligen Bereich, maximal im untersten fünfstelligen Bereich“ aus. Gegen die verhängten Verbote kann Einspruch vor Verwaltungsgerichten erhoben werden. Zudem dürfte es auch Protestkundgebungen und Gegendemonstrationen außerhalb des befriedeten Bereichs geben.
Die Verbote seien nötig, da es Anlass zur Sorge gebe, „dass der Parlamentsbetrieb beeinträchtigt wird, weil sowohl mit Angriffen auf die Gebäude des Deutschen Bundestages und auch auf Personen als auch mit gesundheitlichen Gefährdungen für Zutrittsuchende zu den Bundestagsgebäuden, insbesondere für Abgeordnete und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, durch Verstöße von Versammlungsteilnehmern gegen Corona-Regeln zu rechnen ist“, hieß es laut „Welt weiter in dem Schreiben der Bundestagspolizei.
Unter anderem von Angehörigen der rechten Szene wird seit Tagen in sozialen Netzwerken gegen das Infektionsschutzgesetz mobil gemacht, das dabei häufig als „Ermächtigungsgesetz“ beschimpft wird. Vizekanzler Olaf Scholz äußerte sich auf Twitter empört, dass damit auf das NS-Ermächtigungsgesetz von 1933 Bezug genommen werde, das in einem völlig anderen Kontext stehe. Hier gehe es vielmehr darum, in der Pandemie-Zeit „das Leben tausender Menschen zu schützen“.
Mehrere Abgeordnete beklagten sich im Internetdienst Twitter über den Eingang von zum Teil zehntausenden Massen-Mails gegen das Reformvorhaben. Linke und FDP sehen das Gesetzesvorhaben kritisch. Von „gefährlichem Unsinn“ sprach mit Blick auf die Mails gleichwohl der FDP-Politiker Konstantin Kuhle. Linken-Chefin Katja Kipping schrieb auf Twitter, sie sei unter anderem als „Handlangerin der Merkel-Faschisten“ beschimpft worden.