Rechnungshofpräsident Kay Scheller hat die große Koalition vor einem weiteren Ausufern der Neuverschuldung im Bundeshaushalt 2021 „unter dem Deckmantel der Corona-Krise“ gewarnt. „Nicht alle neuen Schulden sind durch die Pandemie verursacht und lassen sich mit der außergewöhnlichen Notsituation begründen“, sagte Scheller der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ vom Montag. Er wandte sich gegen eine Reform oder Neuinterpretation der Schuldenbremse.
„Unter dem Deckmantel der Corona-Krise werden Mittel für zukünftige Ausgaben und Wünsche in Sondervermögen geparkt“, kritisierte der Präsident des Bundesrechnungshofs (BRH). Durch die voraussichtliche Verlängerung und Verschärfung des Corona-Lockdowns werde die Krise noch teurer. „Umso dringender ist es, dass sich Regierung und Parlament bei ihren Haushaltsberatungen auf den Kern konzentrieren: die Bekämpfung der Pandemie und ihrer Folgen“, mahnte Scheller.
Die Aussetzung der Schuldenbremse könne nur mit der Notsituation der Corona-Krise begründet werden. „Das bedeutet, dass notwendige Zukunftsinvestitionen etwa in die Digitalisierung, in Künstliche Intelligenz oder Wasserstofftechnologie nicht durch neue, zusätzliche Schulden finanziert werden dürfen, sondern konkret nur die krisenbedingten Mehrausgaben“, sagte der oberste Rechnungsprüfer. „Die Regierung sollte das genau auseinanderhalten.“
Er sei „in großer Sorge“, sagte Scheller weiter. „Wir erleben gerade die totale Umkehr der Verhältnisse der letzten Jahre.“ Konkret forderte er die Abschaffung des steuerlichen Dieselprivilegs an den Tankstellen. „Die nächste Bundesregierung sollte endlich auf das klimaschädliche Dieselprivileg verzichten“, sagte er. „Auch die steuerliche Förderung von Handwerkerleistungen gehört abgeschafft, denn das boomende Handwerk braucht keine weitere staatliche Unterstützung, auch nicht in Corona-Zeiten.“
Der Rechnungshofpräsident forderte die Bundesregierung zudem zu mehr Zurückhaltung bei den geplanten milliardenschweren Stützungsmaßnahmen für die Bahn und die Autoindustrie auf: „Der Bund darf jetzt nicht noch andere Probleme der Bahn zusätzlich ausgleichen, die nichts mit Corona zu tun haben.“ Die Autoindustrie als eine wichtige Schlüsselindustrie stehe vor großen Umbrüchen. „Angesichts hoher Unternehmensgewinne stellt sich aber die Frage, warum die Industrie diesen Umbau nicht selbst finanziert“, so Scheller.
In dieser Woche beenden die Koalitionsfraktionen ihre Beratungen zum Bundeshaushalt 2021. Berichten vom Sonntag zufolge plant Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eine Erhöhung der Neuverschuldung auf 160 Milliarden Euro, bisher vorgesehen waren mit 96 Milliarden Euro.