30 Jahre Haft für Hauptangeklagten im „Charlie-Hebdo“-Prozess

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Lange Haftstrafen in einem historischen Terror-Prozess: In dem Pariser Mammutverfahren um die Anschläge auf die französische Satirezeitung „Charlie Hebdo“ und einen jüdischen Supermarkt in Paris sind eine Reihe von Hintermännern am Mittwoch zu Haftstrafen von vier Jahren bis Lebenslänglich verurteilt worden. Der Anwalt von „Charlie Hebdo“, Richard Malka, äußerte die Hoffnung, dass durch die Urteile „andere Dramen vermieden werden“ könnten.

Die Verurteilten unterstützten laut dem Sondergericht die drei Attentäter, die im Januar 2015 insgesamt 17 Menschen in Paris töteten – darunter einige der bekanntesten Karikaturisten Frankreichs. Die beiden Hauptangeklagten erhielten als „Komplizen“ 30 Jahre Haft und Lebenslänglich. Die Antiterror-Staatsanwaltschaft hatte für beide die Höchststrafe gefordert. Die drei Attentäter selbst konnten nicht vor Gericht gestellt werden, sie waren nach den Anschlägen von der Polizei erschossen worden.

Der zu lebenslänglicher Haft verurteilte Hauptangeklagte Mohamed Belhoucine wurde nach Einschätzung von Geheimdiensten vermutlich in Syrien getötet, das Urteil gegen ihn gilt deshalb als symbolisch. Der zweite Hauptangeklagte, Ali Riza Polat, kündigte Berufung gegen seine 30-jährige Haftstrafe an. Die Anklage hatte für ihn ebenfalls Lebenslänglich gefordert, er wurde jedoch vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer Terrorgruppe entlastet.

Drei der insgesamt 14 Angeklagten wurden in Abwesenheit verurteilt. Darunter war als einzige Frau auch Hayat Boumeddiene, die Lebensgefährtin eines der Attentäter, die 30 Jahre Haft erhielt. Der Prozess war der bisher größte wegen islamistischer Anschläge in Frankreich und gilt deshalb als „historisch“. 

Die Verurteilten sollen die Brüder Chérif und Saïd Kouachi unterstützt haben, die am 7. Januar 2015 die Redaktion von „Charlie Hebdo“ überfielen und zwölf Menschen brutal ermordeten. Zudem sollen sie dem mit den Brüdern befreundeten Islamisten Amédy Coulibaly geholfen haben, der in den darauf folgenden Tagen eine Polizistin tötete und vier weitere Menschen bei der Geiselnahme in dem Pariser Supermarkt „Hyper Cacher“. Hinter den Anschlägen werden das Terrornetzwerk Al-Kaida im Jemen und die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) vermutet.

Der Redaktionsleiter von „Charlie Hebdo“, Laurent Sourisseau, äußerte die Hoffnung, dass mit dem Urteil „der Kreislauf der Gewalt endet“. Das Trauma der Überlebenden aber bleibe, wie die Aussagen der Opfer vor Gericht gezeigt hätten, schrieb er unter seinem Künstlernamen Riss in einem Leitartikel. Sourisseau hatte den Anschlag schwer verletzt überlebt.

Andere Überlebende der Anschläge – darunter die bekannte Karikaturistin Corinne Rey alias Coco – schilderten in dem mehr als dreimonatigen Verfahren ihre Todesangst. Wegen Corona-Fällen musste der Prozess zwischenzeitlich für einen Monat unterbrochen werden. An ihm nahmen rund 200 Zivilkläger teil, darunter viele Überlebende und Angehörige der Opfer. Der Opfer-Anwalt Patrick Klugmann sagte, nun sei endlich „Gerechtigkeit getan“.

Auch Islam-kritische Karikaturen der toten Zeichner wurden gezeigt. „Charlie Hebdo“ war unter anderem wegen der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen zur Zielscheibe geworden. Zu Prozessbeginn druckte die Zeitung die Zeichnungen erneut – es folgten massive Proteste und neue Morddrohungen, unter anderem von Al-Kaida. 

Während des Prozesses kam es zu drei neuen Anschlägen in Frankreich, bei denen mutmaßliche Islamisten vier Menschen töteten und zwei weitere verletzten. Für Entsetzen sorgte vor allem die Enthauptung des Geschichtslehrers Samuel Paty, der die Mohammed-Karikaturen im Unterricht gezeigt hatte. Tausende Menschen gingen daraufhin für die Meinungsfreiheit auf die Straße.

Bereits nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ hatte es 2015 eine beispiellose Welle der Solidarität gegeben. Unter dem Motto „Je suis Charlie“ (Ich bin Charlie) gingen in Frankreich mehr als eine Million Menschen auf die Straße, weitere bekundeten weltweit ihre Solidarität in Online-Netzwerken. 

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