Bundesverfassungsgericht sieht Recht auf Geräte-Daten bei Tempoverstößen

straßenverkehrsordnung_verbot_blitzer apps_radarfallen_straßenverkehr
Symbolbild: Blitzer

In Bußgeldverfahren wegen Tempoverstößen haben Verteidiger grundsätzlich Anspruch auf Zugang zu allen relevanten Informationen, auch wenn diese nicht in die Gerichtsakte aufgenommen wurden. Andernfalls wird das Recht der mutmaßlichen Temposünder auf ein faires Verfahren verletzt, wie das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe in einem am Dienstag veröffentlichten Beschluss entschied. Bußgeldbescheide ohne Speicherung der Rohmessdaten sind danach aber nicht automatisch hinfällig. (Az: 2 BvR 1616/18)

Der Beschwerdeführer war im Frühjahr 2017 mit über 150 Stundenkilometern geblitzt worden, erlaubt waren 120. Sein Anwalt beantragte daraufhin Einsicht in verschiedene Unterlagen über die Messung und das betreffende Gerät, etwa Video- und Fotoaufnahmen, den Eichschein des Geräts und die sogenannten Rohmessdaten, aus denen die Geschwindigkeit berechnet wird.

Die Bußgeldstelle gewährte Einsicht in verschiedene Unterlagen, unter anderem aber nicht zu den Rohmessdaten. Hintergrund ist, dass einige derzeit heftig umstrittene Geräte diese Daten nicht speichern. Im konkreten Fall ging es um das Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan SM1 der Firma Vitronic, betroffen ist aber auch das Gerät TraffiStar S350 von Jenoptik.

Ungeachtet dessen verhängte die Bußgeldstelle ein Fahrverbot von einem Monat und ein Bußgeld von 160 Euro. Der Anwalt legte Beschwerde ein und verlangte erneut Einsicht in sämtliche Unterlagen.

Dies lehnten in der Folge auch die Gerichte ab. Damit verletzten sie das Recht des mutmaßlichen Temposünders auf ein faires Verfahren, entschied hierzu nun das Bundesverfassungsgericht.

Dabei betonten die Karlsruher Richter, dass die Fachgerichte in Massenverfahren wie hier den Tempo-Bußgeldern in einem vereinfachten Verfahren ohne umfassende Beweisaufnahme entscheiden dürfen. Andernfalls wäre die „Funktionsfähigkeit der Rechtspflege“ gefährdet.

Hier habe der Verteidiger aber keine Beweisanträge gestellt, sondern lediglich den Zugang zu verschiedenen Unterlagen verlangt. Dies würde das vereinfachte Gerichtsverfahren nicht grundsätzlich infrage stellen, betonten die Karlsruher Richter. Denn nur so habe die Verteidigung die Möglichkeit, auch unwahrscheinliche, aber dennoch immer mögliche Fehler aufzudecken.

Im Streitfall soll nun das Amtsgericht Hersbruck in Bayern neu über den Streit entscheiden. Wenn die Bußgeldbehörde keine Rohmessdaten vorlegen kann, wird es zu entscheiden haben, ob der Geschwindigkeitsverstoß trotzdem als erwiesen angesehen werden kann.

Anzeige



Anzeige

Avatar-Foto
Über Redaktion des Nürnberger Blatt 44940 Artikel
Hier schreiben und kuratieren die Redakteure der Redaktion des Nürnberger Blatt