Das Impfen hat begonnen, und die Politiker sprühten vor Optimismus. Von „Hoffnung und Zuversicht“ twitterte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), als am Sonntag die ersten Dosen des Corona-Impfstoffs in Deutschland verimpft waren, von einer „Hammer-Nachricht“ sprach der grüne Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir. Und Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) fand sogar einen Vergleich mit der Mondlandung zu schwach: Dieser seien immerhin Jahre an Forschung vorausgegangen, der Weg zur Corona-Impfung dagegen sei einmalig.
Wie Kretschmann ließen es sich zahlreiche Politiker nicht nehmen, beim Impfstart dabei zu sein – auch wenn sie selbst noch nicht an der Reihe sind, den von Biontech und Pfizer hergestellten Impfstoff zu bekommen. Am Sonntag wurden erst einmal hochbetagte Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen und einige Pflegekräfte geimpft. In Berlin beobachtete Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) am Morgen die ersten Impfungen. Den allerersten Pieks bekam dort Gertrud Haase.
Zunächst sei sie skeptisch gewesen, erzählte die 101-Jährige. Sie habe gedacht: „Na, bei den Ersten müsstest du ja nicht dabei sein.“ Aber dann habe sie doch mitmachen wollen. Die anderen Länder hätten dem Impfstoff ja auch getraut.
Im Seniorenzentrum Pichlmayr im bayerischen Zolling ließ sich unter anderem Mitarbeiterin Ina Voß impfen – aus ganz persönlichen Gründen. Sie hofft auf mehr menschliche Nähe durch die Impfung. In absehbarer Zeit würde sie gern wieder ohne Mundschutz arbeiten und in die Gesichter der Bewohner sehen können, sagte sie. Zudem will sie Ende kommenden Jahres mit ihrem Vater dessen 90. Geburtstag feiern.
Bayern war allerdings auch das Bundesland, in dem die anfängliche Freude teilweise schnell wieder gedämpft wurde. In einigen Regionen musste der Impfstart verschoben werden, weil unklar war, ob die Kühlkette auf dem Transport eingehalten wurde. Sobald dies geklärt ist, soll es allerdings auch dort losgehen.
In Sachsen-Anhalt wurde sogar ein wenig über den Impfstart gestritten. Dort waren in einem Pflegeheim in Halberstadt nämlich schon am Samstag die ersten Dosen verabreicht worden – also vor dem offiziellen Startschuss in Deutschland und der EU. Eigentlich sei vereinbart worden, am Sonntag gemeinsam mit den Impfungen zu beginnen, sagte ein Sprecher von Bundesgesundheitsminister Spahn der „Bild am Sonntag“.
Immo Kramer, der Technische Leiter des betreffenden Impfzentrums im Harz, verteidigte sich jedoch. „Wir hatten den Impfstoff am Samstag und waren bereit – warum sollten wir dann bis Sonntag warten? Das versteht kein Mensch“, sagte er der „Bild“-Montagsausgabe.
Die ersten Geimpften blieben gelassen. „Wie, das wars schon? Ich hab gedacht, da kommt noch was“, sagte nach der Impfung die 91-Jährige Lieselotte Ziegler, die – beobachtet von zahlreichen Journalisten – in einem Koblenzer Pflegeheim ihre Spritze erhielt. Die 85 Jahre alte Hanna Hertzsch aus Zwickau sagte: „Angst gibt’s nicht. Es kann doch nur besser werden.“ Aber ihnen gehe es gut. „Was wollen wir mehr. Wir wollen mal zur Familie.“
Gertrud Haase aus Berlin erklärte, sie habe den Pieks nicht einmal bemerkt. Die 101-Jährige fasste zusammen: „Es ist ein großer Tag.“