Führende EU-Abgeordnete halten die Zeit, um ein Handelsabkommen mit Großbritannien auszuhandeln und rechtzeitig zu ratifizieren, für abgelaufen. „Es ist jetzt unmöglich, dass das Parlament einen Deal vor Ende des Jahres bewertet“, erklärte der Fraktionsvorsitzende der Konservativen, Manfred Weber (CSU), am Montag auf Twitter. Die Frist sei abgelaufen, erklärte der Chef des Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD). Es werde keine Ratifizierung innerhalb der Übergangsphase geben.
Großbritannien war zum 1. Februar aus der EU ausgetreten, bis zum Jahresende bleibt das Land aber noch im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Um ein Ausscheiden mit gravierenden Folgen für die Wirtschaft zu vermeiden, sollte innerhalb dieser Übergangszeit ein Handelsabkommen ausgehandelt werden. Die Verhandlungen kommen aber seit Monaten nicht voran.
Die Fraktionsvorsitzenden des Europaparlaments hatten vergangene Woche eine Frist bis Sonntagabend gesetzt: Liebe bis dahin ein Abkommen vor, könne der Text noch rechtzeitig ratifiziert werden. Die Grünen hatten bereits diesen Termin als zu spät kritisiert.
Sollte in den kommenden Tagen doch noch eine Einigung zustande kommen, könnte sie allerdings auch vorläufig in Kraft treten und erst nachträglich vom EU-Parlament ratifiziert werden. „Alternative Verfahren sind möglich“, erklärte Weber. Der Rat der Mitgliedstaaten und die Kommission müssten einen Weg finden.
Aus EU-Kreisen hieß es allerdings, dass auch eine vorläufige Anwendung eines Abkommens vom 1. Januar an nur machbar sei, wenn es bis Weihnachten eine Einigung gebe. Andernfalls sei die Umsetzung rein technisch nicht machbar. In jedem Fall werde es am 1. Januar „eine große Störung geben, darauf müssen wir uns vorbereiten“, warnte die französische Liberale Nathalie Loiseau.
Die festgefahrenen Verhandlungen zwischen Brüssel und London sollten am Montag fortgesetzt werden. Aus britischen Regierungskreisen hieß es am Sonntagabend, es gebe noch „erhebliche Unstimmigkeiten“. „Wir werden aber weiterhin alle Wege zu einer Einigung ausloten.“ Ein EU-Vertreter bestätigte am Montagmorgen, dass die Unterhändler im Laufe des Tages die Gespräche wieder aufnehmen würden.
Hauptstreitpunkte sind seit Monaten faire Wettbewerbsbedingungen, die Kontrolle eines künftigen Abkommens und der Zugang zu britischen Gewässern für Fischer aus der EU. Während es bei den ersten beiden Knackpunkten zuletzt wesentliche Fortschritte gegeben hatte, blieb die Fischerei-Frage bis zuletzt schwierig.
EU-Chefunterhändler Michel Barnier hatte nach Diplomatenangaben zuletzt angeboten, dass die EU-Fischer nach einer siebenjährigen Übergangszeit auf ein Fünftel des Werts ihres Fischfangs in britischen Gewässern verzichten. Großbritannien fordert aber, dass die EU-Fischer bei einer Übergangszeit von drei Jahren 60 Prozent abgeben sollen.