Die EU-Regierungen suchen vor ihrem Gipfel kommende Woche einen gemeinsamen Kurs gegenüber der Türkei und zu möglichen Sanktionen. Es sei an der Zeit, „das Katz- und Mausspiel zu beenden“, sagte EU-Ratspräsident Charles Michel am Freitag. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell sagte, die Mitgliedstaaten müssten nun entscheiden, ob sie Sanktionen verhängen wollten. Doch einig sind sich die EU-Staaten bisher nicht.
Die EU habe Ankara im Oktober „die Hand ausgestreckt“ und ein „positives Angebot“ gemacht, um bestehende Konflikte zu beseitigen und die Beziehungen zu verbessern, sagte Michel. „Bedingung war aber, dass die Türkei die Provokationen beendet.“ Die Bewertung der Entwicklung seitdem sei aber „nicht positiv“. Die EU sei nun „bereit, die Mittel zu nutzen, über die wir verfügen“.
Die Beziehungen der EU zum Beitrittskandidaten Türkei haben sich in den vergangenen Jahren stetig verschlechtert. Aktuell gibt es zahlreiche Streitpunkte. Einer ist der Konflikt mit Griechenland und Zypern um Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer. Borrell hatte wegen des Konflikts im Sommer auch Wirtschaftssanktionen nicht ausgeschlossen.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Europäer seitdem auch in der Zypern-Frage verärgert, weil er eine dauerhafte Zwei-Staaten-Lösung für die geteilte Insel fordert. Kritisch sieht die EU auch die Rolle der Türkei in Libyen, Syrien und im Konflikt um Berg-Karabach.
Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten Ankara Anfang Oktober mit Sanktionen gedroht. Gleichzeitig wurden der Türkei als Anreiz für eine Verbesserung der Beziehungen aber wirtschaftliche Vorteile wie Verhandlungen über eine Ausweitung der Zollunion mit der EU in Aussicht gestellt. Damals beschlossen die EU-Spitzen, beim Gipfel am 10. und 11. Dezember abhängig vom Verhalten der Türkei Bilanz zu ziehen und entsprechend vorzugehen.
Für Sanktionen wäre ein einstimmiger Beschluss nötig. Insbesondere Länder wie Griechenland, Zypern, aber auch Frankreich fordern einen harten Kurs und Sanktionen. Mehrere Mitgliedstaaten und insbesondere Deutschland seien aber dagegen, sagten ein Minister und mehrere EU-Vertreter der Nachrichtenagentur AFP.
Wichtiger Gradmesser in der Frage ist das Außenministertreffen am Montag in Brüssel. Ein hochrangiger EU-Vertreter sagte dazu am Freitag, die Minister würden Bilanz ziehen. Die eigentliche Diskussion finde aber beim Gipfel der Staats- und Regierungschefs am Donnerstag und Freitag statt.
„Derzeit ist mir kein Mitgliedstaat bekannt, der bestreitet, dass die Situation schlechter ist“ als im Oktober, sagte der EU-Vertreter. Welche Konsequenzen sie daraus ziehen wollten, müssten aber die Mitgliedstaaten entscheiden.
Vergangenes Jahr hatte die EU im Gas-Konflikt bereits Finanzmittel für die Türkei gekürzt, Kontakte auf hochrangiger Ebene auf Eis gelegt und Verhandlungen über ein Luftverkehrsabkommen ausgesetzt. Es folgten später Sanktionen gegen zwei Beteiligte an den umstrittenen Bohrungen, gegen die Einreiseverbote und Kontosperrungen verhängt wurden.