Eine Reihe von EU-Ländern schottet sich gegen eine neue, ansteckendere Coronavirus-Variante in Großbritannien ab: Die Niederlande verhängten aus Angst vor der Ausbreitung der neuen Virus-Mutation ein Landeverbot für Passagiermaschinen aus dem Vereinigten Königreich. Belgien und Italien wollen dem Beispiel folgen und auch Deutschland erwägt die Einschränkung des Flugverkehrs aus Großbritannien. Die Regierung in London warnte, die neue Variante des Coronavirus sei „außer Kontrolle“.
Die Virus-Mutation wird für einen starken Anstieg der Infektionszahlen im Süden Englands verantwortlich gemacht. „Wir müssen es unter Kontrolle bringen“, sagte der britische Gesundheitsminister Matt Hancock am Sonntag im Sender Sky News. Die Lage sei „todernst“. Die einzige Möglichkeit sei im Moment eine Verringerung der sozialen Kontakte.
In London und Südostengland trat wegen der neuen Virus-Mutation am Sonntag ein strenger Lockdown mit weitgehenden Ausgangsbeschränkungen in Kraft. Die Maßnahmen gelten mindestens bis zum 30. Dezember. Hancock machte deutlich, dass die Maßnahmen länger nötig sein könnten, bis genug Menschen gegen das Coronavirus geimpft seien. Ohne Impfungen werde es „sehr schwer, es unter Kontrolle zu halten“, sagte der Minister.
Im Südosten des Landes sind die Menschen angewiesen, ihre Wohnungen nur noch in Ausnahmefällen zu verlassen. Alle Geschäfte, die nicht der Grundversorgung dienen, müssen schließen. Auch in Wales gilt seit Sonntag ein harter Lockdown, Schottland und Nordirland folgen am 26. Dezember. Die schottische Regierung riegelt außerdem die Grenzen zu den britischen Nachbarn über die Weinachtfeiertage ab.
Ersten Erkenntnissen zufolge sei die neue Virus-Mutation „bis zu 70 Prozent ansteckender“ als die bisher verbreitete Form, hatte der britische Premierminister Boris Johnson am Samstag gesagt. Sie sei aber nach bisherigen Erkenntnissen nicht tödlicher. Es gebe auch keine Hinweise, dass die Wirksamkeit von Impfstoffen durch den neuen Virus-Stamm beeinträchtigt werde, versicherte Johnson.
Um die weitere Ausbreitung der neuen Coronavirus-Mutation einzudämmen, verhängten die Niederlande ein Landeverbot für Passagiermaschinen aus Großbritannien. Die Regelung trat am Sonntagmorgen in Kraft und gilt bis zum 1. Januar. Nach Angaben der Regierung in Den Haag wurde ein Fall der neuen Mutation auch in den Niederlanden entdeckt.
Belgien kappt in der Nacht zum Montag ebenfalls die Verkehrsverbindungen zum Vereinigten Königreich. Flüge und Zugverbindungen aus Großbritannien würden ab Mitternacht gestoppt, teilte die Regierung mit. Regierungschef Alexander De Croo kündigte an, die Maßnahme werde für mindestens 24 Stunden gelten. Italien kündigte einen ähnlichen Schritt für Flüge an. Außenminister Luigi Di Maio erklärte auf Facebook, dies sei zum „Schutz der Italiener“ nötig.
Auch für die Bundesregierung ist die Einschränkung des Flugverkehrs aus Großbritannien eine „ernsthafte Option“. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Sonntag aus Kreisen des Bundesgesundheitsministeriums erfuhr, gelte dies wegen einer neuen Variante des Coronavirus auch für Südafrika.
Ein Sprecher des Gesundheitsministeriums sagte, die Entwicklung in Großbritannien werde sehr genau verfolgt. „Mit Hochdruck“ würden die von dort vorliegenden Informationen zu der Mutation ausgewertet. Die Bundesregierung sei dazu auch in Kontakt mit ihren europäischen Partnern. Der Chefvirologe der Berliner Charité, Christian Drosten, schrieb am Sonntag bei Twitter, in Deutschland sei die Mutation bisher nicht aufgetaucht.
Europa kämpft derzeit gegen die zweite Coronawelle, viele Länder verhängten einen harten Lockdown. Auch in Italien werden die Maßnahmen kurz vor Weihnachten verschärft. Angesichts der rasant steigenden Corona-Zahlen werde das ganze Land zur „roten Zone“ erklärt, kündigte Ministerpräsident Giuseppe Conte in der Nacht zum Samstag an.
Die höchste Stufe der Corona-Maßnahmen in Italien tritt am Montag in Kraft und gilt bis zum 6. Januar. Jeder Haushalt soll nur einmal pro Tag die Möglichkeit haben, Verwandte oder Freunde zu besuchen. Reisen in eine andere Region sind verboten. Vom 28. bis 30. Dezember sowie am 4. Januar sollen die Regeln aber etwas gelockert werden.