Der Online-Handel kann frohlocken: Er wird auch wegen des neuen harten Lockdowns in diesem Jahr insgesamt ein Fünftel mehr Umsatz als 2019 machen. So lautet die am Dienstag veröffentlichte Prognose des Handelsverbands HDE. Die Paketdienste erwarten in den Tagen vor Weihnachten neue Rekordmengen – und warnen bereits, sie könnten an ihre Grenzen geraten.
Der Onlinehandel wird allein im November und Dezember laut Handelsverband Deutschland (HDE) seinen Umsatz um fast ein Drittel im Vorjahresvergleich steigern. Die Händler werden demnach in den zwei Monaten knapp 20 Milliarden Euro umsetzen.
Der Bundesverband Paket und Expresslogistik erklärte entsprechend: „Wir gehen davon aus, dass durch den Lockdown die ohnehin schon sehr großen Paketmengen in den Tagen vor Heiligabend weiter wachsen werden.“ Dem Verband gehören neben DPD, GLS, Hermes und UPS rund 3500 weitere kleine und mittelständische Logistikunternehmen an. Diese Unternehmen sind demnach „weiterhin zuversichtlich“, die Pakete „verlässlich und in gewohnter Qualität“ zustellen zu können – „sofern sich das Infektionsgeschehen nicht massiv verstärkt und das Wetter mitspielt“.
Für das Weihnachtsgeschäft habe die Branche rund 30.000 zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt und zusätzliche Fahrzeuge eingesetzt. Dennoch seien „personelle Ressourcen, Sortier- und Ladekapazitäten natürlich an einem gewissen Punkt limitiert“. Auch wegen des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten seien personelle Aufstockungen an den Standorten bei gleichzeitiger Einhaltung der Hygieneschutzstandards nur in begrenztem Maße möglich, erläuterte der Verband.
Der Handelsverband hofft nun darauf, dass in möglichst vielen Bundesländern Abhol- und Lieferdienste noch erlaubt sind. „Click und collect“ sei „eine ideale Möglichkeit auch für stationäre Händler, Kundenbeziehungen aufrecht zu erhalten“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth der Nachrichtenagentur AFP am Montag. „Man kann in seiner Buchhandlung anrufen, die Bücher zu Weihnachten dort telefonisch bestellen, reservieren und abholen, ohne dass man dort mit jemandem Kontakt hat, einen Laden betreten muss. Das wäre einfach möglich.“
Denn der vom Lockdown im Frühjahr und jetzt erneut betroffene Handel wird in diesem Jahr voraussichtlich Umsatzeinbußen in Höhe von 36 Milliarden Euro verzeichnen, wie der HDE am Dienstag vorrechnete. Der „Lockdown-Handel“ werde ein Fünftel seiner Umsätze abgeben.
„Insbesondere im Modehandel stehen viele Betriebe kurz vor der Insolvenz“, erklärte Hauptgeschäftsführer Genth. „Da die Schließung jetzt bereits vor dem 24. Dezember erfolgt, wird sich bis zum 10. Januar ein riesiger Berg von 300 Millionen Teilen unverkaufter Modeartikel auftürmen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Im Weihnachtsgeschäft gingen normalerweise pro Tag im Schnitt mehr als 15 Millionen Hosen, Shirts, Schuhe und sonstige Kleidungsstücke über den Ladentisch.
Der HDE forderte erneut „passgenaue Hilfen“. Die bisher vorgesehenen Hilfen der Bundesregierung müssten „noch in vielen Details an den tatsächlichen Bedarf angepasst werden sowie dann unbürokratisch und schnell ausgezahlt werden“. Für bis zu 50.000 Geschäfte mit 250.000 Beschäftigten gebe es sonst womöglich keine Zukunftsperspektive mehr, warnte der Verband.
Auch der Präsident des Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, warnte vor den Auswirkungen des neuen Lockdowns auf den Arbeitsmarkt. Die Arbeitslosigkeit könnte um 50.000 bis 100.000 Menschen höher liegen als ohne den neuen Lockdown, sagte er der „Bild-Zeitung.
Der Ökonom sieht zudem die Wachstumsaussichten der Bundesrepublik in Gefahr. „Durch die zusätzlichen Einschnitte könnte das Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr zusätzlich zu den bisherigen Schäden um weitere fünf Milliarden Euro sinken“, sagte Felbermayr dem Blatt. Im Vergleich zum dritten Quartal bedeute das im vierten Quartal eine Schrumpfung um 0,5 Prozent.