In Israel müssen schon wieder Neuwahlen stattfinden: Nach Ablauf einer Frist für einen neuen Haushalt löste sich das Parlament in Jerusalem am Dienstag um Mitternacht (Ortszeit; 23.00 Uhr MEZ) automatisch auf. Hintergrund ist ein seit Monaten andauernder Konflikt zwischen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seinem Koalitionspartner Benny Gantz.
In der Nacht zum Dienstag hatte die Knesset bereits einen Vorschlag abgelehnt, die Haushaltsplanungen für 2020 auf den 31. Dezember und die Planungen für 2021 auf den 5. Januar zu verschieben. Eine Einigung in letzter Minute wäre spätestens bis zur Frist in der Nacht zum Mittwoch möglich gewesen. Wegen des Dauerstreits in der Regierungskoalition hatten Beobachter jedoch nicht mit einer Lösung gerechnet.
Die Neuwahl könnte am 23. März stattfinden. Es wäre dann der vierte Urnengang für die Israelis in weniger als zwei Jahren.
Seit der Einigung auf eine Koalition im April war das Verhältnis zwischen Netanjahu und Gantz von Misstrauen und öffentlichen Anschuldigungen geprägt. Nach ursprünglichen Abmachungen sollte Gantz Ende November kommenden Jahres an die Spitze der Regierung rücken. Beobachter hatten vermutet, Netanjahu habe bewusst Neuwahlen erzwingen wollen, bevor er die Macht an Gantz hätte abgeben müssen.
Laut Meinungsumfragen muss Netanjahu allerdings damit rechnen, dass bei Neuwahlen ein erheblicher Teil der Likud-Wähler an den neuen, rechtsgerichteten Herausforderer Gideon Saar verloren geht. Der Regierungschef muss sich Anfang kommenden Jahres zudem planmäßig wegen Korruption vor Gericht verantworten. Auch wegen seines Krisenmanagements in der Corona-Pandemie steht Netanjahu in der Kritik.
Das Mitte-Links-Wahlbündnis Blau-Weiß von Gantz dürfte im Falle von Neuwahlen allerdings nicht profitieren. Während Blau-Weiß bei den vorletzten Wahlen im September 2019 noch die meisten Stimmen holen konnte, kommt das Bündnis in den jüngsten Umfragen nur noch auf den sechsten oder siebten Platz.