Prozess um ermordeten Regierungspräsidenten Lübcke nähert sich dem Ende

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Rund ein halbes Jahr nach Verhandlungsbeginn nähert sich der Prozess um den Mord an dem Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor dem Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main dem Ende. Das Plädoyer der Bundesanwaltschaft gegen den Hauptangeklagten Stephan E. sowie den Mitangeklagten Markus H. wird für Dienstag erwartet. Am 14. Januar soll die Verteidigung plädieren, das Urteil soll schließlich am 26. Januar verkündet werden.

Die Urteilsverkündung war zunächst für den 1. Dezember angesetzt. Weil sich E. in seinen Antworten auf Fragen der Hinterbliebenen Lübckes aber selbst widersprach, vernahm ihn der fünfte Strafsenat im Dezember erneut. 

Es wird erwartet, dass die Bundesanwaltschaft nächste Woche eine lebenslange Haft fordert, weil E. in dem Verfahren den Mord an Lübcke aus rechtsextremen Motiven gestanden hat. Der psychologische Gutachter sah bei E. auch die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung als gegeben an. Eine entsprechende Forderung der Anklagebehörde gilt daher ebenfalls als wahrscheinlich. Lübcke war in der Nacht zum 2. Juni 2019 tot auf seiner Terrasse im nordhessischen Wolfhagen-Istha gefunden worden.

Der Frankfurter Prozess war von zahlreichen Anträgen seitens der Verteidigung geprägt. Doch auch Lübckes Familie als Nebenkläger in dem Verfahren stellte nach der Entlassung des Mitangeklagten H. aus der Untersuchungshaft im Oktober aus Mangel an Beweisen für seine Beihilfe an der Tat mehrere Anträge. Denn H. muss sich seitdem lediglich für einen Verstoß gegen das Waffengesetz verantworten. 

Die Nebenklage geht jedoch davon aus, dass H. ebenfalls im Juni 2019 am Tatort war. Hauptindiz dafür ist am Ende der Beweisaufnahme die Aussage des Hauptangeklagten. Allerdings verstrickte sich der 47-jährige E. in seinen Einlassungen immer wieder in Widersprüche. Zwei unterschiedliche Geständnisse zog er zurück. Eine Kernfrage in dem Verfahren war deshalb, wie die insgesamt drei unterschiedlichen Geständnisse zustandekamen. 

E. ist nicht nur wegen des Mordes an Lübcke angeklagt, sondern auch wegen eines versuchten Mordes an einem irakischen Flüchtling im Januar 2016. Er soll ihn von hinten mit einem Messer in den Rücken gestochen haben. E. bestritt den Vorwurf von Anfang an.  

Der erste rechtsextreme Mord an einem Politiker in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg hatte weitreichende Folgen. Landesweit wurde über einen höheren Schutz von Lokalpolitikern vor Bedrohungen diskutiert. Im hessischen Landtag bildete sich ein Untersuchungsausschuss, der der Frage nachgehen will, warum die Sicherheitsbehörden den seit Ende der 1980er als Rechtsextremist bekannten E. aus dem Blickfeld verloren. Bislang kam der Ausschuss mit seiner Arbeit nicht weit: Das OLG weigerte sich, den Politikern die Gerichtsakten vor Ende des Strafprozesses zugänglich zu machen. 

In Folge des Mordes schlossen sich zudem zahlreiche Verfahren wegen Schmähungen in sozialen Netzwerken an. Im Juni gab es dabei in zwölf Bundesländern Durchsuchungen wegen Hasskommentaren im Zusammenhang mit Lübcke. In einigen Fällen verhängten Amtsgerichte Geldstrafen.

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