Im Rechtsstreit über die Veröffentlichung eines Briefs von Herzogin Meghan an ihren Vater will die Zeitungsgruppe Associated Newspapers der Frau von Prinz Harry einen langen Prozess mit womöglich peinlichen Zeugenbefragungen nicht ersparen. Der Fall „schreit nach einer Untersuchung“ und sei „vollkommen ungeeignet für ein summarisches Urteil“ ohne einen ausführlichen Prozess, sagte der Anwalt von Associated Newspapers, Antony White, am Mittwoch vor Gericht in London.
Die Zeitungen „Daily Mail“, „Mail on Sunday“ und des Portals „Mail Online“ hatten Auszüge aus einem Brief veröffentlicht, den Meghan vor ihrer Hochzeit mit dem britischen Prinzen Harry im Mai 2018 an ihren Vater geschrieben hatte. Zu dem von ihrer Mutter geschiedenen Thomas Markle hat Meghan ein schwieriges Verhältnis. Meghan klagt gegen die Veröffentlichung wegen Verletzung ihrer Privatsphäre und ihres Urheberrechts und verlangt eine Entschädigung.
Meghans Anwalt Justin Rushbrooke hatte am Dienstag bei der virtuellen Gerichtsanhörung argumentiert, die Vergehen der Medien lägen so klar auf der Hand, dass der Herzogin ein langer Prozess erspart werden könne. Das Gericht könnte ohne Zeugenanhörungen eine Entscheidung fällen.
Anderenfalls gäbe es voraussichtlich im Herbst einen Prozess, bei dem sich womöglich die 39-Jährige und ihr Vater gegenüberstehen würden, um ihre Zeugenaussagen zu machen. Außerdem würde ein Prozess viel Medienrummel bedeuten und womöglich pikante Details aus Meghans Privatleben und ihrem Umgang mit den Medien zutage fördern.
Darauf setzt der Associated Newspapers-Anwalt. Laut dem Brief eines Anwalts von vier früheren Angestellten der Herzogin gebe es wahrscheinlich Beweise, „die ein Licht auf manche entscheidenden Fakten in dem Fall werfen würden“, sagte White. Die Ex-Mitarbeiter hatten in der Kommunikationsabteilung des Herzogs und der Herzogin von Sussex und als Privatsekretär gearbeitet.
Laut White wollte Meghan, dass der Brief an ihren Vater öffentlich wird. Daher habe sie ihn mit der Kommunikationsabteilung besprochen und Informationen darüber über Freunde an die Autoren einer Biografie über Meghan und Harry durchgestochen. Die Herzogin habe also eine „Medienstrategie“ verfolgt und nicht einfach einen privaten Brief geschrieben.
Meghan weist die Vorwürfe zurück. Richter Mark Warby will seine Entscheidung über die Eröffnung eines Prozesses zu einem späteren Zeitpunkt verkünden.
Prinz Harry und Meghan hatten im April ihre Ankündigung vom Januar 2020 wahr gemacht, sich von ihren royalen Pflichten zurückzuziehen. Bei der Entscheidung spielte ihre ständige Beobachtung durch die Medien eine wichtige Rolle. Sie verzichten auf die Anrede „königliche Hoheit“, erhalten keine öffentlichen Gelder mehr und leben mittlerweile mit ihrem im Mai 2019 geborenen Sohn Archie in Meghans Heimat Kalifornien.
Seit ihrem Rückzug aus der ersten Reihe des britischen Königshauses gehen Harry und Meghan verstärkt gegen Medien vor, die aus ihrer Sicht in ihrer Berichterstattung über das Paar und seinen Sohn Grenzen verletzen. So reichte Harry Klage gegen zwei andere Verleger von Boulevardzeitungen wegen mutmaßlichen Telefon-Hackings ein. Harrys Mutter Diana war 1997 auf der Flucht vor Paparazzi in Paris ums Leben gekommen.