Corona-Pandemie trifft Menschen mit psychischen Krankheiten besonders hart

Depressives Frau - Bild: VaughanPetersen via Twenty20
Depressives Frau - Bild: VaughanPetersen via Twenty20

Bereits seit 15 Jahren leidet Lena Ulrich an Depressionen, doch mit der Zeit fand sie Mittel und Wege, mit der Krankheit umzugehen. „Ich habe Unterstützung, eine tolle Therapeutin, auch mein privates Umfeld unterstützt mich gut“, sagt die 37-jährige Frau aus Köln. „Das heißt, ich habe mir mein Leben inklusive Beruf- und Sozialleben so strukturiert und organisiert, dass das für mich ganz gut funktioniert.“

Doch als in Deutschland im März der erste Lockdown begann, waren viele Hilfsangebote nur noch online erreichbar oder stellten den Betrieb sogar komplett ein. Um die Infektionszahlen zu verringern, wurden Menschen aufgefordert, zu Hause zu bleiben und ihre sozialen Kontakte dramatisch zu reduzieren. „Da ist bei mir eigentlich relativ schnell alles ineinander zusammengebrochen“, sagt Ulrich. „Am Ende bin ich dann auch in einer recht starken und längeren depressiven Episode gelandet.“

Wie Ulrich sind in Deutschland viele Menschen mit psychischen Problemen besonders hart von der Pandemie betroffen. Noch bis mindestens Ende Januar befindet sich Deutschland in einem zweiten Lockdown. Für Menschen mit psychischen Erkrankungen bedeutet dies, dass sich ihre Situation noch weiter verschärfen könnte.

In einer aktuellen Umfrage der Krankenversicherung Pronova BKK sagen drei Viertel der 154 befragten Psychiater und Psychotherapeuten, dass sie aufgrund der Corona-Pandemie über die nächsten zwölf Monate eine Zunahme psychischer Krankheiten erwarten. Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe nahmen Menschen mit einer Depression die Corona-Maßnahmen des vergangenen Frühlings als wesentlich belastender wahr als die Bevölkerung insgesamt.

Ambulante psychiatrische Kliniken, Beratungsstellen und Suizidkrisendienste waren während der Pandemie besonders gefragt, sagt der Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, Dietrich Munz. „In der aktuellen Corona-Situation gibt es zwischenzeitlich eine ganze Reihe von Studien, die auch zeigen, dass die psychischen Belastungen, die durch die Maßnahmen oder durch Erkrankung hervorgerufen sind, auch zu psychischen Erkrankungen führen.“

Für den 58-jährigen Georg Kepkowski fühlt sich die Corona-Pandemie an, als seien „viele Bausteine, die mir helfen stabil zu bleiben, weggebrochen“. Der Duisburger, der seit Jahrzehnten an Depressionen leidet, fühlt sich isoliert. „Da habe ich dann einen Depressionsschub bekommen“, erzählt er.

Soziale Isolation kann laut Munz schnell zu einer Verschlechterung der psychischen Gesundheit führen. „Menschen sind soziale Wesen, und zwar auch soziale Alltagswesen“, sagt der Experte. „Das heißt, wir suchen und brauchen einen zwischenmenschlichen Austausch – und zwar auf allen Ebenen, kleine Gespräche am Rand am Arbeitsplatz, bis hin zu vertrauensvollen Gesprächen mit guten Bekannten oder Freunden.“

Aber mit denselben Menschen tagelang in einer Wohnung festzusitzen, bringt seine eigenen Probleme mit sich. „Zu viel Nähe kann auch psychisch belastend sein“, sagt Munz. „Durch den Lockdown und die Isolierung in der Familie kann man sich nicht aus dem Weg gehen. Ausschließlich auf die Familie reduziert zu sein macht auch wieder Schwierigkeiten, wenn es zu wenig Rückzugmöglichkeiten gibt“.

Der Vorsitzende der Stiftung Deutsche Depressionshilfe, Ulrich Hegerl, rät Betroffenen dazu, im zweiten Lockdown die Isolation zu vermeiden. „Die Sorgen vor einer Infektion mit dem Coronavirus, vor allem aber auch die Maßnahmen gegen Corona, stellen eine Belastung für viele Menschen dar“, sagt er.

Seine Organisation bietet ein Hilfetelefon und ein Onlineforum für Menschen in psychischen Notsituationen an. Außerdem empfiehlt sie Unterstützungsgruppen in sozialen Medien und Apps für das Smartphone, die Menschen helfen sollen, ihre Depressionen zu handhaben. Während der Corona-Maßnahmen halten außerdem viele Psychotherapeuten ihre Sitzungen online ab. So können Menschen ihre Behandlung fortsetzen, ohne ihr Zuhause verlassen zu müssen.

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