Die Pandemie macht die Schuldenbremse angreifbar – Vorschrift im Grundgesetz grenzt Spielraum von Bund und Ländern stark ein

Deutsches Grundgesetz
Deutsches Grundgesetz

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) sorgt für Aufsehen: Er will die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse so umarbeiten, dass der Bund in den nächsten Jahren mehr Schulden machen darf als eigentlich vorgesehen. Von Parteikollegen und der FDP kommt heftiger Protest, die Linke dagegen findet Brauns Vorstoß gar nicht so schlecht. Für vergangenes Jahr und 2021 war die Schuldenbremse wegen der Corona-Pandemie bereits ausgesetzt worden.

Was ist die Schuldenbremse?

Der Begriff umschreibt die Festlegungen in den Artikeln 109 und 115 des Grundgesetzes. „Die Haushalte von Bund und Ländern sind grundsätzlich ohne Einnahmen aus Krediten auszugleichen“, heißt es in Artikel 109. Artikel 115 besagt, dass sich der Bund im Normalfall maximal in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verschulden darf. Außerdem sind „bei einer von der Normallage abweichenden konjunkturellen Entwicklung“ Abweichungen in begrenztem Umfang erlaubt. Für die Bundesländer regeln jeweils eigene Landesgesetze die Details.

Welche Ausnahmen sind möglich?

„Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“, kann der Bund die vorgegebenen Kreditgrenzen überschreiten. Anlass für die Inanspruchnahme der Ausnahmeregelung für die Jahre 2020 und 2021 sind die Corona-Pandemie und ihre weitreichenden wirtschaftlichen Folgen.

Wie wird eine Ausnahme festgelegt?

Die Aufhebung der Kreditbegrenzung muss von der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags beschlossen werden. Hierbei handelt es sich um die sogenannte Kanzlermehrheit von aktuell 355 Stimmen. „Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden“, heißt es im Grundgesetz weiter. Die Regierung muss also darlegen, wie sie die angestrebten Kredite wieder zurückzahlen will, denn dies muss „binnen eines angemessenen Zeitraumes“ geschehen.

Was will Braun ändern?

Der Kanzleramtschef spricht sich dagegen aus, die Ausnahmeregelung in den kommenden Jahren jeweils erneut anzuwenden. Dies würde ein „Tor zur dauerhaften Aufweichung der Schuldenregel“ öffnen, glaubt er. Stattdessen solle das Grundgesetz so geändert werden, dass es begrenzt auf die nächsten Jahre „einen verlässlichen degressiven Korridor für die Neuverschuldung vorsieht und ein klares Datum für die Rückkehr zur Einhaltung der Schuldenregel vorschreibt“.

Warum wurde die Schuldenbremse eingeführt?

Hintergrund war unter anderem der hohe Stand der Staatsverschuldung nach der Finanzkrise 2008/2009. Unter diesem Eindruck wurden Forderungen laut, die Verschuldungsmöglichkeiten des Staates grundsätzlich einzuschränken. Zugleich muss Deutschland innerhalb der EU den Stabilitäts- und Wachstumspakt einhalten und beteiligt sich auch am sogenannten Fiskalpakt, der ebenfalls Vorgaben zur Begrenzung der Neuverschuldung und des Gesamtschuldenstands gibt.

Die Grundgesetzänderung trat 2011 in Kraft. Anschließend galten noch Übergangsregelungen – für den Bund bis einschließlich 2015 und für die Länder bis einschließlich 2019.

Welche Kritik gibt es an der Schuldenbremse?

Neben Unzufriedenheit mit der konkreten Ausgestaltung der Schuldenbremse gibt es auch Stimmen, die eine solche Beschränkung der Staatsverschuldung grundsätzlich für problematisch halten. So fordert etwa die Linke die Abschaffung der Schuldenbremse, um mehr Investitionen in die öffentliche Infrastruktur zur ermöglichen. Die Grünen plädieren für eine Weiterentwicklung; Ziel ist hier ebenfalls die Ermöglichung von mehr staatlichen Investitionen. Die SPD will laut Parteitagsbeschluss die Schuldenbremse in ihrer aktuellen Form „perspektivisch überwinden“.

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