FDP-Chef Lindner bekräftigt Regierungsambitionen und Corona-Politik

Christian Lindner - Bild: Achim Melde/Bundestag
Christian Lindner - Bild: Achim Melde/Bundestag

FDP-Chef Christian Lindner hat die Ambitionen seiner Partei für eine Regierungsbeteiligung im Bund bekräftigt. „Wir sind bereit zur Übernahme von Verantwortung für unser Land“, sagte Lindner am Mittwoch auf dem digitalen Dreikönigstreffen in Stuttgart. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer will keine Regierungskoalition ausschließen. In der Wirtschafts- und Finanzpolitik gebe es mehr Nähe zur Union, bei vielen Fragen der Innen- und Rechtspolitik zu SPD und Grünen, sagte er dem „Handelsblatt“.

Die FDP wolle nach dem Ende der Ära von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) an der Gestaltung Deutschlands mitschreiben, sagte Lindner auf der Veranstaltung, bei der sich die FDP auf das Superwahljahr mit sechs Landtagswahlen und der Bundestagswahl einstimmte. Das traditionelle Dreikönigstreffen fand erstmals ohne Publikum statt und wurde per Livestream übertragen. 

Leere Ränge und freie Plätze seien „durchaus ein Symbol für die Situation unseres Landes“, sagte Lindner im Stuttgarter Staatstheater. Die Botschaft sei, dass die FDP nicht nur an ihrem Dreikönigstreffen festhalte, sondern in der Pandemie auch an den Werten der Partei, dem Einsatz für Grundrechte und Freiheit.

Lindner warf der Regierung Versäumnisse im Umgang mit der Corona-Pandemie vor: „Vieles von dem, was möglich ist, kam zu spät.“ So sei erst am Dienstagabend eine neue Strategie für Schnelltests in Pflegeeinrichtungen vereinbart worden. Dass diese und andere Maßnahmen „so spät umgesetzt worden sind, das ist für mich Ausdruck eines Politikversagens mit Ankündigung“.  

Der FDP-Chef kritisierte die Einschränkung des Bewegungsradius auf 15 Kilometern in Corona-Hotspots. Auch die neue Kontaktbeschränkung, wonach ein Hausstand nur noch einen weiteren Menschen treffen darf, „schießt über das Ziel hinaus“, sagte Lindner. Gebraucht werde eine regional differenzierte Herangehensweise. Zug um Zug müsse mehr gesellschaftliches Leben wieder möglich sein.

Er mahnte zudem eine klare Perspektive für die Öffnung der Schulen an. Kinder und Jugendliche müssten ihr Bürgerrecht auf Bildung wieder wahrnehmen können.

Lindner kritisierte, Deutschland sei „kein fortschrittsfreundliches Land mehr“. Die Erfolgsgeschichte des Mainzer Biotechnologie-Unternehmens Biontech mit seinen Gründern Ugur Sahin und Özlem Türeci sei „nicht repräsentativ“. Deutschland habe zwar „unkontrollierte Zuwanderung erfahren, aber wir sind bis heute kein attraktives Einwanderungsland“, sagte er. In keinem anderen Land werde das individuelle Vorankommen dermaßen durch Bürokratismus sowie hohe Abgaben und Steuern erschwert.

Das Land stehe nach der Pandemie „vor einer Phase der Neugründung“. Steuererhöhungen seien „kein guter Rat“ zur Belebung der Wirtschaft, mahnte Lindner. Wäre er Finanzminister, „würde es in Deutschland keine Erhöhung der Steuern auf Einkommen der Beschäftigten oder derjenigen geben, die Arbeitsplätze in unserem Land schaffen“. Einzige Einschränkung sei, dass der nächste Finanzminister dafür sorgen müsse, dass Online-Giganten wie Amazon einen fairen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens zahlen.

FDP-Präsidiumsmitglied Theurer sagte zu „Handelsblatt Online“ auf die Frage nach Bedingungen für eine Regierungsbeteiligung: „Die FDP wird nur einen Koalitionsvertrag unterschreiben, in dem konkrete Schritte zu einem einfacheren und gerechteren Steuersystem mit niedrigeren Sätzen vereinbart werden.“ Nötig sei zudem ein „Digitalisierungs-Turbo für Bildung und Verwaltung und die Entlastung von unnötiger Bürokratie“.

Mit Blick auf die anstehende CDU-Vorsitzwahl sagte Theurer: „Wirtschaftspolitisch steht uns Friedrich Merz am nächsten.“ Den wollten aber Merkel und große Teile des Parteiestablishments nicht. 

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