Mord an Kasseler Regierungspräsident Lübcke sorgte bundesweit für Entsetzen

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit

Der Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke im Sommer 2019 hat bundesweit Entsetzen ausgelöst. Dringend tatverdächtig ist der bereits länger behördenbekannte Rechtsextremist Stephan E. – der Prozess gegen ihn und seinen mutmaßlichen Komplizen Markus H. vor dem hessischen Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt am Main endet voraussichtlich am Donnerstag. Ein Überblick:

2. UND 3. JUNI 2019

Der CDU-Politiker Lübcke wird in der Nacht zum 2. Juni tot auf der Terrasse seines Hauses in Wolfhagen-Istha im Landkreis Kassel gefunden. Laut Obduktionsergebnis wurde er aus nächster Nähe erschossen. Es wird bekannt, dass Lübcke nach Äußerungen während der Flüchtlingskrise 2015 anonyme Morddrohungen erhielt. Er hatte nach Anfeindungen bei einer Bürgerversammlung für die hiesigen Werte geworben und gesagt: „Wer diese Werte nicht vertritt, kann dieses Land jederzeit verlassen – das ist die Freiheit eines jeden Deutschen.“

5. JUNI 2019

Im Netz tauchen zahlreiche hämische Kommentare zum Tod Lübckes auf. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilt die Reaktionen.

15. UND 16. JUNI 2019

Der damals 45 Jahre alte E. aus Kassel wird in der Nacht zum 15. Juni festgenommen. Einen Tag später wird ihm der Haftbefehl eröffnet. Die Festnahme erfolgte aufgrund eines DNA-Treffers.

17. JUNI 2019

Die Bundesanwaltschaft übernimmt die Ermittlungen. Sie geht von einem rechtsextremen Hintergrund der Tat aus. Es gebe aber keinen Hinweis auf eine Einbindung E.s in ein rechtsterroristisches Netzwerk. E. war in der Vergangenheit in der rechtsextremen Szene aktiv und ist einschlägig vorbestraft, etwa wegen eines versuchten Rohrbombenanschlags auf ein Flüchtlingsheim im hessischen Hohenstein-Steckenroth im Dezember 1993.

26. JUNI 2019

E. legt ein Geständnis ab. Laut Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) handelte er allein.

27. JUNI 2019

Die Bundesanwaltschaft bestätigt zwei weitere Festnahmen – H. und Elmar J., der E. die Tatwaffe verkauft haben soll. Die Ermittler finden ein Waffenversteck von E. mit fünf Waffen.

2. JULI 2019

E. zieht sein Geständnis zurück. Ein neuer Haftbefehl wird erlassen.

19. SEPTEMBER 2019

Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen E. neben dem Mordfall Lübcke auch wegen versuchten Mordes an einem Iraker. Es gebe Anhaltspunkte, dass E. am 6. Januar 2016 in Lohfelden bei Kassel versucht habe, den Asylbewerber „heimtückisch und aus niedrigen Beweggründen zu töten“.

28. NOVEMBER 2019

E.s Verteidiger kündigt ein neues Geständnis an. Das hessische Landeskriminalamt teilt mit, dass E. vor etlichen Jahren Informationen über etwa 60 Menschen und Objekte gesammelt habe.

1. DEZEMBER 2019

Das Land Hessen ehrt Lübcke posthum für hervorragende Dienste um die demokratische Gesellschaft mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille.

8. JANUAR 2020

Vor dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs präsentiert E. eine völlig neue Geschichte: H. habe Lübcke im Streit versehentlich erschossen, sein Tod sei nicht geplant gewesen. Beide hätten Lübcke lediglich eine „Abreibung“ verpassen wollen.

15. JANUAR 2020

Der Bundesgerichtshof hebt den Haftbefehl gegen J. auf.

27. JANUAR 2020

E.s Untersuchungshaft wird verlängert. Trotz seiner Aussage, in der er H. des Mordes bezichtigte, besteht weiterhin dringender Mordverdacht.

29. APRIL 2020

Die Bundesanwaltschaft erhebt Anklage gegen E. und H. und wirft ihnen Mord beziehungsweise Beihilfe zum Mord vor. Die Behörde sieht eine von Rassismus getragene „völkisch-nationalistische Grundhaltung“ als Motiv. Sie legt E. zudem den versuchten Mord an dem irakischen Asylbewerber zur Last.

2. JUNI 2020

Am Jahrestag des Anschlags lässt das Frankfurter OLG die Anklage der Bundesanwaltschaft gegen E. und H. zu und eröffnet das Hauptverfahren.

16. JUNI 2020

Der Prozess gegen E. und H. beginnt unter hohen Sicherheitsvorkehrungen.

25. JUNI 2020

Der hessische Landtag votiert einstimmig für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zum Mord an Lübcke. Da der Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts die Gerichtsakten erst nach Ende der Beweisaufnahme freigeben will, tritt der Ausschuss monatelang auf der Stelle.

28. JULI 2020

Der Frankfurter Staatsschutzsenat stimmt einem Antrag E.s zu, seinen Verteidiger Frank Hannig zu entpflichten. Kurz darauf werfen E. und sein zweiter Verteidiger Mustafa Kaplan Hannig vor, das zweite Geständnis vom Januar erfunden zu haben, um eine Aussage H.s zu provozieren. Im Oktober leitet die Staatsanwaltschaft Kassel Ermittlungen wegen des Verdachts der Anstiftung zur falschen Verdächtigung ein, ohne jedoch Hannigs Namen zu nennen.

5. AUGUST 2020

Am achten Verhandlungstag lässt E. von seinem Anwalt Mustafa Kaplan eine Einlassung verlesen, in der er den tödlichen Schuss auf Lübcke gesteht. Es ist E.s drittes Geständnis.

1. OKTOBER 2020

Aus Mangel an Beweisen für eine Beihilfe entlässt der Senat H. aus der Untersuchungshaft. Zum Prozess in Frankfurt muss er trotzdem weiterhin erscheinen – H. muss sich noch wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten.

19. NOVEMBER 2020

Ein Gutachter stuft E. als voll schuldfähig ein. Außerdem sieht er die Voraussetzungen für eine Sicherungsverwahrung als erfüllt an. E. habe einen Hang zur Begehung schwerer Straftaten.

22. DEZEMBER 2020

Die Bundesanwaltschaft fordert in ihrem Plädoyer lebenslange Haft für E. und will die besondere Schwere der Schuld feststellen lassen. Oberstaatsanwalt Dieter Killmer plädiert zudem auf eine anschließende Sicherungsverwahrung. Für H. fordert er wegen psychischer Beihilfe zum Mord und eines Verstoßes gegen das Waffengesetz neun Jahre und acht Monate Haft. Die Nebenklage schließt sich diesen Forderungen Mitte Januar 2021 überwiegend an.

20. JANUAR 2021

Knapp ein halbes Jahr nach seiner Konstituierung erhält der Untersuchungsausschuss im Landtag alle angeforderten Unterlagen, die vom OLG am 22. Dezember freigegeben wurden.

21. JANUAR 2021

E.s Verteidigung plädiert auf eine „verhältnismäßige“ Haftstrafe wegen Totschlags. E. habe sich nicht wegen Mordes schuldig gemacht. Mordmerkmale lägen nicht vor. H.s Verteidigung soll am Dienstag zwei Tage vor dem Urteil plädieren.

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