Die Bundesregierung verweist angesichts der Klage der EU-Kommission gegen Deutschland wegen Versäumnissen beim Naturschutz auf einen „rechtlichen Dissens“ mit Brüssel. Die Forderungen der EU-Kommission gingen sowohl Bund als auch Ländern „rechtlich zu weit“, erklärte das Bundesumweltministerium am Donnerstag in Berlin. Deren Umsetzung würde „einen immensen finanziellen und verwaltungstechnischen Aufwand bedeuten“.
Die Kommission verklagte Deutschland am Donnerstag vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH), weil Bund und Länder nach ihrer Ansicht seit mehr als zehn Jahren systematisch gegen die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (FFH) der EU verstoßen. In der Richtlinie von 1992 hatten sich die EU-Länder verpflichtet, bis spätestens 2010 die Lebensräume seltener und bedrohter Tier- und Pflanzenarten als Gebiete „von gemeinschaftlichem Interesse“ auszuweisen.
„Den jüngsten Informationen der Behörden zufolge hat Deutschland eine bedeutende Anzahl von Gebieten immer noch nicht als besondere Schutzgebiete ausgewiesen“, erklärte die Kommission nun. Zudem sei es offenbar „in allen Bundesländern und auf Bundesebene allgemeine und anhaltende Praxis“, in der Richtlinie vorgesehene Managementpläne für die Schutzgebiete nicht oder nicht korrekt zu erarbeiten.
Brüssel hatte wegen der Versäumnisse bereits 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Berlin eingeleitet. 2019 habe sie ihre Forderungen noch einmal unterstrichen, erklärte die Kommission. Seitdem habe Deutschland aber immer noch nicht ausreichend nachgebessert.
Nach Angaben des Bundesumweltministeriums hatte die Kommission 2019 „neue Vorwürfe in Bezug auf die Festlegung von detaillierten Erhaltungszielen und die Veröffentlichung von Managementplänen“ geäußert. Besonders mit den geforderten „gebietsspezifischen Erhaltungszielen“ gehe Brüssel aber zu weit.
Mit der Frage wird sich nun der EuGH in Luxemburg beschäftigen. Im Fall einer Verurteilung könnte Deutschland später mit hohen Strafzahlungen belegt werden.