De-facto-Regierungschefin Suu Kyi festgenommen – Armee ruft Notstand aus

Aung San Suu Kyi - Bild: Claude TRUONG-NGOC, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Aung San Suu Kyi - Bild: Claude TRUONG-NGOC, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

In Myanmar hat die Armee wieder die Macht an sich gerissen. Die Streitkräfte erklärten am Montag in ihrem eigenen Fernsehsender, sie hätten die Kontrolle über das Land übernommen. Die Armee rief einen einjährigen Notstand aus. Zuvor waren die bisherige De-facto-Regierungschefin Aung San Suu Kyi und Präsident Win Myint vom Militär festgenommen worden, wie die Partei Nationale Liga für Demokratie (NLD) mitteilte.

Seit der Parlamentswahl im November hatten die Spannungen zwischen der Armee und der von Suu Kyi angeführten Zivilregierung stark zugenommen. Bei der Wahl hatte Suu Kyis NLD einen Erdrutschsieg errungen. Die Armeeführung prangerte jedoch angeblichen Wahlbetrug an.  

Suu Kyi und Win Myint wurden am Montag in den frühen Morgenstunden vom Militär in der Hauptstadt Naypyidaw in Gewahrsam genommen, wie NLD-Sprecher Myo Nyunt der Nachrichtenagentur AFP sagte. Er zeigte sich sehr besorgt über das Schicksal der beiden Politiker. Nach Informationen aus Parteikreisen wurden zudem im Bundesstaat Kayin mehrere Mitglieder der dortigen Regionalregierung festgenommen.

Ein AFP-Reporter beobachtete, dass das Militär die Kontrolle über das Rathaus der Wirtschaftsmetropole Rangun übernahm. Der Journalist sah fünf Militär-Lkw auf dem Gelände des Rathauses. Mitarbeiter der Stadtverwaltung, die dort zur Arbeit eintrafen, wurden von Soldaten fortgeschickt.

Die Regierungen der USA und Australiens forderten die Freilassung Suu Kyis und anderer Politiker. Die Vereinigten Staaten würden gegen die Verantwortlichen für diese Maßnahmen vorgehen, sollten die Schritte nicht rückgängig gemacht werden, warnte die Sprecherin des Weißen Hauses in Washington, Jen Psaki. Sie wandte sich gegen alle Versuche, den Ausgang der Wahlen in Myanmar zu verändern. 

Alle festgenommenen Zivilpolitiker müssten „unverzüglich“ freigelassen werden, forderte auch die australische Außenministerin Marise Payne. Sie warnte, das Militär in Mynamar versuche, erneut die „Kontrolle“ über das Land zu übernehmen. Payne appellierte an die myanmarische Armee, die rechtsstaatliche Ordnung zu respektieren.

Die Telekommunikationsverbindungen in dem südostasiatischen Land waren am Montag stark gestört. Mehrere Mobilfunknetze kamen zum Erliegen. Die auf Internetschließungen spezialisierte Bürgerrechtsgruppe Netblocks berichtete von schweren Internetstörungen in Naypyidaw und anderen Landesteilen.

An diesem Montag hatte das neugewählte Parlament erstmals zusammentreten sollen. Es war erwartet worden, dass die NLD das Regierungsmandat von Suu Kyi um weitere fünf Jahre verlängern würde.

In den vergangenen Tagen hatten jedoch auch die Spekulationen über einen möglicherweise bevorstehenden Militärputsch zugenommen. Genährt worden waren diese Spekulationen durch Äußerungen von Armeechef Min Aung Hlaing. Dieser hatte am Mittwoch erklärt, dass die Verfassung des Landes unter bestimmten Bedingungen „aufgehoben“ werden könne. 

Die Parlamentswahl im November war erst der zweite demokratische Urnengang in Myanmar seit dem Ende der Militärdiktatur vor zehn Jahren. Die Streitkräfte spielen in Politik und Wirtschaft des südostasiatischen Landes seit der Unabhängigkeit im Jahr 1948 eine starke Rolle. So ist laut Verfassung ein Viertel aller Abgeordnetenmandate der Armee vorbehalten.

Seit der Unabhängigkeit regierte die Armee das Land insgesamt fast fünf Jahrzehnte lang. Militärputsche gab es bereits in den Jahren 1962 und 1988. Suu Kyi stand während der Militärherrschaft insgesamt 15 Jahre lang unter Hausarrest. 

Die Politikerin wurde früher im Westen als Kämpferin für die Demokratie verehrt und erhielt 1991 den Friedensnobelpreis. Ihr Ruf im Ausland hat aber in den vergangenen Jahren wegen der Verfolgung der muslimischen Minderheit der Rohingya stark gelitten. In Myanmar sehen viele in der früheren Demokratie-Ikone aber weiterhin eine Heldin.

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