Draghi beginnt Gespräche zur Regierungsbildung in Italien

Mario Draghi - Bild: European Union - European Parliament
Mario Draghi - Bild: European Union - European Parliament

Der ehemalige EZB-Präsident Mario Draghi hat in Rom mit Gesprächen zur Bildung einer neuen Regierung begonnen. Am Donnerstagnachmittag traf Draghi die Vertreter mehrerer kleinerer italienischer Parteien, um deren Unterstützung für eine Regierung der nationalen Einheit unter seiner Führung zu gewinnen.

Draghis Aufgabe dürfte keine leichte werden – die italienische Tageszeitung „La Stampa“ schrieb in diesem Zusammenhang von „einem Rätsel“: Während ihm die Stimmen von Parteien wie der rechten Forza Italia von Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi oder der Kleinpartei Italia Viva (IV) von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi sicher sind, fehlt ihm bislang die Unterstützung der Fünf-Sterne-Bewegung (M5S). 

Einer der maßgeblichen M5S-Politiker, der scheidende Außenminister Luigi Di Maio, forderte eine „politische Regierung“ und lehnte die Idee eines Kabinetts aus Technokraten entschieden ab.

Die Fünf-Sterne-Bewegung, die bis zuletzt den scheidenden Ministerpräsidenten Giuseppe Conte unterstützte, stellt allein fast ein Drittel der Abgeordneten und Senatoren. Laut Berechnungen der Zeitung „La Stampa“ muss sich Draghi daher zugleich um die Enthaltung oder die Unterstützung der rechtsradikalen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini bemühen. Dieser hatte sich zuletzt jedoch für Neuwahlen ausgesprochen. Sollten sich beide Parteien gegen Draghi stellen, würde er die nötige Mehrheit verfehlen.

Um dennoch eine Unterstützung zu erhalten, könnte sich Draghi entscheiden, der M5S und anderen Parteien wichtige Ministerposten anzubieten. Di Maio und weitere Mitglieder der scheidenden Regierung, einschließlich Ministerpräsident Conte, werden italienischen Medienberichten zufolge für Kabinettsposten in Betracht gezogen. 

Der parteilose Conte, der in Umfragen zuletzt hohe Zustimmungswerte erreichte, versprach am Donnerstag, „kein Hindernis“ für Draghi zu sein und wünschte seinem Nachfolger „viel Glück“. „Ich habe immer zum Wohle des Landes gearbeitet“, sagte er am Donnerstag vor Journalisten. 

Mit dem Zerbrechen der Koalition und dem Rücktritt des Regierungschefs Conte wurde Italien mitten in einer beispiellosen Krise in politische Unsicherheit gestürzt. Italien war das erste europäische Land, das mit voller Wucht von der Corona-Pandemie getroffen wurde. Die Wirtschaft rutschte in die schwerste Rezession seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Conte hatte vergangene Woche seinen Rücktritt erklärt, nachdem die von ihm angeführte Mitte-Links-Koalition am Streit um die Verwendung der Corona-Hilfsgelder zerbrochen war. Der IV-Vorsitzende Renzi hatte das Bündnis mit der PD und der Fünf-Sterne-Bewegung aufgekündigt. Er warf Conte eine Verschwendung von Milliardenmitteln vor und forderte deren sinnvolleren Einsatz.

Conte, der gehofft hatte, unter neuen Vorzeichen erneut Regierungschef werden zu können, übt das Amt des Ministerpräsidenten auf Bitte des Staatschefs weiter geschäftsführend aus. 

Draghi, der wegen seines Umgangs als EZB-Chef mit der Eurokrise den Spitznamen „Super Mario“ trägt, war bereits in den vergangenen Wochen als möglicher Nachfolger Contes gehandelt worden, hatte sich aber lange bedeckt gehalten. 

Der 73-Jährige ist für seine Diskretion, Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit bekannt. 2012 gelang es ihm als EZB-Chef mit seiner Versicherung, „alles Notwendige“ zu tun, um den Euro zu retten, die Finanzmärkte zu beruhigen und so entscheidend zur Rettung der Währungszone in der Eurokrise beizutragen.

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