Im Ringen um eine neue Regierung für Italien hat der ehemalige Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, die erste Hürde genommen. Am Samstag erreichte Draghi nach Konsultationen mit den Parteien die Unterstützung der rechtsradikalen Lega sowie der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung. Vor Beginn einer zweiten Gesprächsrunde am Montag war italienischen Medien zufolge weiter unklar, ob Draghi auf ein reines Experten-Kabinett setzen will oder ob er den Parteien Ministerposten in Aussicht stellt.
Lega-Chef Matteo Salvini betonte am Samstag, dass seine Partei keine Bedingungen für die Unterstützung einer Regierung der nationalen Einheit unter Draghi stelle. „Wir stehen bereit“, sagte Salvini nach einem Treffen mit dem Ex-EZB-Chef. Salvini, der regelmäßig die EZB und die Europäische Union kritisiert, hatte zunächst Neuwahlen gefordert.
„Ich ziehe es vor, mit im Boot zu sitzen und Kontrolle ausüben zu können“, sagte Salvini. Der umstrittene Ex-Innenminister betonte zugleich, dass er wichtige Themen der Lega nicht aufgeben wolle, einschließlich der kritischen Einstellung zur Migration. Eine endgültige Entscheidung, ob er Draghi unterstütze, werde er nach der zweiten Gesprächsrunde mit dem ehemaligen EZB-Chef in der kommenden Woche treffen, fügte Salvini hinzu.
Auch die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die fast ein Drittel der Abgeordneten und Senatoren in Rom stellt, sagte Draghi ihre Unterstützung zu, falls die Bedingungen für eine Mehrheit gefunden würden. „Wir sind bereit, jedes Hindernis im Interesse des Landes zu überwinden“, versicherte M5S-Interimschef Vito Crimi. Die Anti-Establishment-Partei hatte bis zuletzt den scheidenden Ministerpräsidenten Giuseppe Conte unterstützt und eine Expertenregierung abgelehnt.
Draghi hatte am Donnerstag in Rom mit den Gesprächen zur Bildung einer neuen Regierung begonnen. Die Mitte-Links-Partei PD und die Kleinpartei Italia Viva (IV) von Ex-Ministerpräsident Matteo Renzi haben ihm bereits ihre Unterstützung zugesagt, ebenso die rechte Partei Forza Italia des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi.
Die Ankündigung Salvinis, Draghi zu unterstützen, dürfte allerdings für parteiinterne Diskussionen bei der PD sorgen: Die Mitte-Links-Partei weigert sich, in eine Regierung einzutreten, in der Mitglieder der rechtsradikalen Lega wichtige Posten besetzen könnten. Die italienische Tageszeitung „Corriere della Sera“ sagte in diesem Zusammenhang parteiinterne Spannungen bis hin zur „Explosion“ voraus.
Nach dem Ende seiner ersten Gesprächsrunde mit den Parteien will sich Draghi nun am Montag zunächst mit zivilgesellschaftlichen Gruppen wie Gewerkschaften und Verbänden treffen. Ende kommender Woche steht dann eine zweite Gesprächsrunde mit den Parteien an.
Conte hatte in der vergangenen Woche seinen Rücktritt erklärt, nachdem die von ihm angeführte Mitte-Links-Koalition am Streit um die Verwendung der Corona-Hilfsgelder der Europäischen Union zerbrochen war. IV-Chef Renzi hatte das Bündnis mit der PD und der Fünf-Sterne-Bewegung aufgekündigt. Er warf Conte eine Verschwendung von Milliardenmitteln vor und forderte deren sinnvolleren Einsatz.
Staatspräsident Sergio Mattarella hatte Draghi am Dienstag mit der Regierungsbildung beauftragt. Vorzeitige Neuwahlen wolle er angesichts der Corona-Pandemie vermeiden, sagte der Präsident. Sollte es doch zu Neuwahlen kommen, hätte derzeit laut Umfragen das rechte Lager unter Führung von Salvini beste Gewinnchancen.