Gericht untersagt Abschiebung nach Afghanistan wegen Verelendung in Corona-Krise

Die Justitia - ein Symbol der Rechtsstaatlichkeit
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Aufgrund der Verelendung durch die Corona-Pandemie dürfen auch gesunde Männer im arbeitsfähigem Alter laut einer Gerichtsentscheidung nur unter besonderen Umständen nach Afghanistan abgeschoben werden. Das entschied der Verwaltungsgerichtshof des Landes Baden-Württemberg nach Angaben vom Mittwoch. Er gab der Klage eines abgelehnten Asylbewerbers recht, soweit es um den Vollzug seiner Abschiebung ging. (Az. A 11 S 2042/20)

Laut Gericht darf auch ein arbeitsfähiger, alleinstehender und völlig gesunder erwachsener Mann derzeit nicht nach Afghanistan abgeschoben werden, „weil es ihm dort angesichts der gravierenden Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen infolge der Covid-19-Pandemie voraussichtlich nicht gelingen wird, auf legalem Wege seine elementarsten Bedürfnisse nach Nahrung, Unterkunft und Hygiene zu befriedigen“. Insofern gelte ein nationales Abschiebeverbot für den zentralasiatischen Staat.

Ausnahmen könne es nur bei „besonders begünstigenden Umständen“ geben, führten die Richter weiter aus. Dazu zählten Fälle, in denen sich abgelehnte Asylbewerber auf ein „übernahmebereites und tragfähiges familiäres oder soziales Netz“ stützen könnten, das ihre Grundversorgung garantiere. Ein aus dem westlichen Ausland zurückgekehrter alleinstehender Mann habe dagegen angesichts der Wirtschaftslage in Folge der Corona-Pandemie „keine realistische Aussicht“, auf dem Markt für Tagelöhner eine Arbeit zu finden.

Die Mannheimer Richter stützten ihre Entscheidung auf mehrstündige mündliche sowie schriftliche Auskünfte einer Sachverständigen sowie die „Auswertung einer Vielzahl von Erkenntnismitteln“, insbesondere zur Lage in der Hauptstadt Kabul. Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Klägers seien sie dabei zu der Überzeugung gelangt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan in seinem Fall derzeit nicht in Frage komme. Die Ablehnung seines Asylantrags sei jedoch korrekt.

Eine Revision ließ das Gericht nicht zu. Dagegen können die Beteiligten aber noch beim Bundesverwaltungsgericht vorgehen.

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