Untersuchungskommission mahnt nach Anschlag von Wien zügige Staatsschutz-Reform an

Österreichisches Parlament
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Drei Monate nach dem islamistischen Anschlag von Wien hat eine Untersuchungskommission eine zügige Reformierung des österreichischen Verfassungsschutzes angemahnt. Bei der Terrorbekämpfung gebe es „erhebliche Mängel“, heißt es in dem Abschlussbericht, den die Kommission den Ministerien des Inneren und der Justiz am Mittwoch vorlegte. Die Zuständigkeiten des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) müssten „überdacht und klarer gestaltet“ werden. 

Bei der Reform gibt es aus der Sicht der unabhängigen Untersuchungskommission keine Zeit zu verlieren. „Die stets angekündigte Neustrukturierung des BVT sollte nun ohne weitere Verzögerungen und transparent durchgeführt werde“, heißt es in dem 29-seitigen Bericht. 

Verbesserungspotenzial sieht die Kommission auch beim nachrichtendienstlichen Informationsaustausch. Die Autoren des Berichts betonten weiter, dass die Arbeitsatmosphäre in den Staatsschutzbehörden verbessert und Misstrauen zwischen verschiedenen Abteilungen abgebaut werden müsse. Als eine der Ursachen für die Zerrüttung der Arbeitsatmosphäre in den Behörden benennt der Bericht die „rechtswidrige Durchsuchung“ der BVT-Amtsräume im Jahr 2018, die vom damaligen FPÖ-Innenminister Herbert Kickl angeordnet worden war.

Weiter empfahl die Kommission eine Professionalisierung von Deradikalisierungsprogrammen sowie deren bessere finanzielle Ausstattung. Als „überflüssig“ bewerteten die Experten dagegen die von der Regierung in Wien geplante Einführung eines Tatbestands des religiös motivierten Extremismus. 

Innenminister Karl Nehammer begrüßte die Ergebnisse des Untersuchungsberichts. Bei einer Pressekonferenz am Nachmittag sprach er sich für eine umfassende Reform aus. Der Verfassungsschutz müsse „komplett neu gebaut werden“. 

Die oppositionellen Sozialdemokraten forderten am Mittwoch vollständige Aufklärung darüber, ob der Innenminister im Vorfeld des Anschlags wichtige Informationen erhalten hatte. Auch bezeichnete die Partei es als „Skandal“, dass die Untersuchungskommission bei ihrer Arbeit behindert worden sei. 

Die Autoren des Untersuchungsberichts hatten zuvor beklagt, dass nicht abschließend habe geklärt werden können, ob bestimmte Terrorwarnungen an ranghohe Vertreter des Innenministeriums weitergeleitet worden seien. 

Bereits im Dezember hatte die Untersuchungskommission einen Zwischenbericht vorgelegt, in dem schwerwiegende Versäumnisse der österreichischen Sicherheitsbehörden aufgezeigt worden waren. Die Behörden hätten mehrere Gelegenheiten verpasst, die von dem späteren Attentäter Kujtim Fejzulai ausgehende Gefahr zu erkennen und darauf zu reagieren, hieß es damals.

Der Attentäter hatte Anfang November in einem belebten Wiener Stadtteil das Feuer eröffnet. Er tötete vier Menschen und verletzte 14 weitere, bevor er selbst von der Polizei erschossen wurde. Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Tat für sich.

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