Das Bundesverfassungsgericht hat einen Befangenheitsantrag gegen die Richterin Astrid Wallrabenstein im Verfahren um Staatsanleihenkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) für begründet erklärt. Das teilte das Gericht am Dienstag in Karlsruhe mit. Die Verfassungsrichterin kann damit am weiteren Verfahren nicht mitwirken. In diesem geht es um eine Vollstreckungsanordnung: Der CSU-Politiker Peter Gauweiler will unter anderem erreichen, dass das Gericht die Bundesbank anweist, sich aus dem Programm zurückzuziehen. Zunächst hatte die „FAZ“ über den Antrag berichtet. (Az. 2 BvR 2006/15)
Das Bundesverfassungsgericht gab im Mai 2020 einer Klage gegen das Anleihenkaufprogramm überwiegend statt. Die EZB verstieß demnach gegen ihre Kompetenzen, als sie 2015 das Public Sector Purchase Programme startete, in dessen Rahmen sie bis Ende 2018 insgesamt 2,6 Billionen Euro in die Finanzmärkte pumpte. Die Zentralbank hätte prüfen müssen, ob die Maßnahmen verhältnismäßig sind, entschied das Bundesverfassungsgericht und stellte sich damit gegen den Europäischen Gerichtshof, der die Anleihenkäufe als rechtens eingestuft hatte.
Karlsruhe verpflichtete die Bundesregierung, auf eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form eines Ratsbeschlusses der EZB hinzuwirken. Das Gericht verbot außerdem der Bundesbank, am Programm weiter mitzuwirken, wenn sie nicht darlege, dass die Maßnahmen verhältnismäßig seien.
Ob diese Auflagen bis zum Stichtag im August erfüllt wurden, darüber gibt es Streit zwischen der Bundesregierung und Gauweiler, einem der ursprünglichen Kläger. Nach Ablauf der Frist stellte er eine Vollstreckungsanordnung in Karlsruhe, um das Gericht zu verpflichten, die Einhaltung des Urteils zu prüfen. Gleichzeitig stellte er laut Beschluss einen Befangenheitsantrag gegen Wallrabenstein.
Wallrabenstein war in der Zwischenzeit, nämlich am 22. Juni, zur Verfassungsrichterin ernannt worden. Am Tag zuvor war ein Interview mit ihr in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ erschienen. Darin äußerte sie unter anderem Zweifel daran, ob die verlangte EZB-Erklärung wirklich durch einen neuen Ratsbeschluss ergehen müsse. Die Äußerungen ließen an ihrer Unvoreingenommenheit zweifeln, hieß es in dem Befangenheitsantrag.
Eine Mehrheit des Zweiten Senats stimmte dieser Einschätzung am 12. Januar zu. Die Sorge, dass die Richterin in einem wichtigen Punkt bereits festgelegt sei, sei zumindest plausibel, hieß es in dem Beschluss, der am Dienstag veröffentlicht wurde.