Wer auf einen Heiratsschwindler hereinfällt, handelt nicht sozialwidrig. Geht so das letzte Geld verloren, steht dies einem anschließenden Hartz-IV—Anspruch nicht entgegen, wie das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am Montag bekanntgegebenen Urteil entschied. Sozialwidriges Verhalten setze einen Vorsatz voraus.
Damit wies das LSG Rückforderungsansprüche des Jobcenters gegen eine 62-jährige Hotelfachfrau ab. Zuletzt hatte sie keine Arbeit und keine Einkünfte mehr und lebte nach eigenen Angaben von einer kleinen Erbschaft ihrer Mutter.
Von November 2016 bis Januar 2017 hatte sie insgesamt 24.000 Euro an den „Agenten“ eines Manns in Großbritannien überwiesen. Später gab sie an, sie habe das Geld nur verliehen. Dem Mann habe sie in einer Notlage helfen und sich zudem mit ihm ein gemeinsames Leben aufbauen wollen.
Als die Erbschaft so aufgebraucht war, beantragte die Frau Hartz IV. Das Jobcenter bewilligte knapp 770 Euro, forderte später mit Blick auf die Überweisungen nach Großbritannien gezahlte Leistungen aber wieder zurück. Von dem vertanen Geld hätte die Frau 31 Monate leben können, hieß es. Das sei sozialwidrig gewesen.
Dem widersprach nun das LSG Stuttgart. Rückforderungen wegen eines sozialwidrigen Verhaltens setzten laut Gesetz voraus, dass die Hilfebedürftigkeit absichtlich herbeigeführt wurde. Eine Absicht habe hier aber nicht vorgelegen.
Vielmehr sei die Frau selbst Opfer eines Betrugs geworden. Dass hier die Überweisungen von außen und im Nachhinein betrachtet nicht nachvollziehbar erschienen, mache sie noch nicht „sozialwidrig“. Es sei nicht Sache des Jobcenters zu prüfen, ob ein Verhalten naiv oder unbedacht war, betonte das LSG.