Im Strafprozess um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd haben mehrere Augenzeugen den Tathergang geschildert. Die Jugendliche, die im vergangenen Mai den gewaltsamen Polizeieinsatz gegen Floyd mit ihrem Handy filmte, eine Feuerwehrfrau, die erste Hilfe leisten wollte und ein ausgebildeter Kampfsportler, der den Polizeinotruf wählte, sagten am Dienstag vor Gericht in Minneapolis gegen den angeklagten weißen Polizisten Derek Chauvin aus.
Die Zeugen berichteten, wie sie den neunminütigen Todeskampf Floyds miterlebten, während Chauvin auf seinem Nacken kniete. Unter Tränen erzählte die heute 18-jährige Darnella Frazier, wie sie den Polizeieinsatz gefilmt habe, weil ihr sofort klar geworden sei, dass er „falsch“ gewesen sei.
Floyd sei verängstigt gewesen, habe Schmerzen gelitten und um sein Leben gefleht, berichtete sie. „Ich habe einen schwarzen Vater. Ich habe einen schwarzen Bruder. Es hätte einer von ihnen sein können.“
Danach sei sie „nächtelang wach geblieben“ und habe George Floyd in Gedanken um Verzeihung gebeten, dass sie nicht mehr getan habe, um sein Leben zu retten, sagte Frazier weiter. Zugleich wisse sie aber, dass dies eigentlich Chauvins Aufgabe gewesen wäre.
Chauvin hatte am 25. Mai 2020 dem wegen eines mutmaßlich gefälschten 20-Dollar-Scheins festgenommenen Floyd minutenlang das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl dieser mehrfach klagte, er bekomme keine Luft.
Fraziers Video gilt als wichtiges Beweisstück im Prozess gegen den inzwischen aus dem Polizeidienst entlassenen 45-jährigen Angeklagten. Die Aufnahmen sorgten damals in den USA und weltweit für Entsetzen und lösten beispiellose Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus.
Die weiße Feuerwehrfrau und Rettungssanitäterin Genevieve Hansen berichtete, wie sie Chauvin und die anderen am Einsatz beteiligten Polizisten vergeblich darum gebeten habe, Wiederbelebungsversuche unternehmen zu können. „Ich wollte unbedingt helfen, aber sie ließen mich nicht“, sagte die 27-Jährige sichtlich aufgewühlt. Jemanden beim Sterben zuzusehen, sei „verstörend“.
Auch Donald Williams wusste nach eigener Aussage sofort, dass etwas bei dem Einsatz furchtbar falsch lief: Jeder habe sehen können, wie Floyd versucht habe, Luft zu bekommen und wie sich dann langsam seine Augen verdreht hätten. Als Kenner von Kampfsportarten habe er zudem sofort gesehen, dass Chauvin eine besonders gefährliche „Würgetechnik“ eingesetzt habe, obwohl Floyd wehrlos in Handschellen am Boden gelegen habe.
Nachdem Floyd im Krankenwagen abtransportiert worden sei, habe er den Polizei-Notruf gewählt, um Anzeige zu erstatten. Teile des Notrufs wurden vor Gericht abgespielt. Darin ist die aufgeregte Stimme des 33-jährigen Afroamerikaners zu hören: „Er hat diesen Typen einfach umgebracht. Mörder (…) sie haben gerade diesen Mann vor dem Laden getötet.“
Die Verteidigung argumentierte, Chauvin und seine Kollegen seien wegen der Schreie der Schaulustigen und der zunehmend gespannten Atmosphäre abgelenkt gewesen. Verteidiger Eric Nelson erinnerte den Zeugen Williams daran, dass er Chauvin „13 Mal als ‚Penner'“ beschimpft habe.
Chauvin ist wegen Mordes und Totschlags angeklagt, ihm drohen bis zu 40 Jahre Haft. Er weist alle Vorwürfe von sich. Da die Öffentlichkeit aufgrund der Corona-Pandemie nicht an der Verhandlung teilnehmen kann, wird diese im Internet übertragen.
Es wird erwartet, dass der Prozess etwa einen Monat lang dauert. Drei weitere ehemalige Polizeibeamte sollen zu einem späteren Zeitpunkt einzeln vor Gericht gestellt werden.
Zum Auftakt des Prozesses am Montag hatten Freunde und Angehörige Floyds acht Minuten und 46 Sekunden vor dem Gerichtsgebäude in Minneapolis niedergekniet, was nach bisherigem Wissen der Zeit entsprach, die Chauvin dem 46-Jährigen sein Knie in den Nacken drückte. Die Staatsanwaltschaft hat die Dauer inzwischen korrigiert: Demnach waren es 9 Minuten und 29 Sekunden.