EU-Gipfel will „schweren Rückschlag“ für Menschenrechte in Türkei kritisieren

Symbolbild: Europäische Union
Symbolbild: Europäische Union

Trotz klarer Kritik an den jüngsten innenpolitischen Entwicklungen haben die EU-Staats- und Regierungschefs der Türkei ein weitreichendes Entgegenkommen angeboten. Sie bezeichneten bei ihrem Gipfel am Donnerstag „gezielte Angriffe auf politische Parteien und Medien“ als „schwere Rückschläge für die Menschenrechte“. Zugleich stellten sie Präsident Recep Tayyip Erdogan aber eine verstärkte Wirtschaftszusammenarbeit und finanzielle Unterstützung in Aussicht, sollte dieser bei Konfliktthemen mit der EU einen versöhnlichen Kurs verfolgen.

Die EU-Staats- und Regierungschefs steckten bei ihrem Video-Gipfel den künftigen Kurs gegenüber Ankara ab. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte davor im Bundestag, sie erwarte von der Türkei, dass sie „rechtsstaatliche Standards“ und Menschenrechte respektiere. Sie verwies dabei darauf, dass die Türkei als Nato-Partner und unmittelbarer Nachbar an der EU-Außengrenze von „strategischer Wichtigkeit“ für die EU sei.

Für Kritik der EU hatte in den vergangenen Tagen der Verbotsantrag gegen die pro-kurdische Partei HDP sowie der Austritt aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vor Gewalt gesorgt. Dies laufe „den Verpflichtungen der Türkei zur Achtung der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und der Rechte der Frauen zuwider“, erklärte der Gipfel.

Zugleich begrüßten die Staats- und Regierungschefs, dass sich die Türkei zuletzt gesprächsbereit im Konflikt um Gasbohrungen im östlichen Mittelmeer und bei der Lösung der Zypern-Frage gezeigt habe. Sollte Ankara sich weiter konstruktiv verhalten, sei die EU bereit, die Zusammenarbeit „in einer Reihe von Bereichen“ zu verbessern.

Konkret bot die EU demnach eine Ausweitung der Zollunion, Gespräche auf hochrangiger Ebene und zu Reiseerleichterungen für türkische Bürger an. Die Staats- und Regierungschefs wollen aber bei allen Angeboten „in einer abgestuften, verhältnismäßigen und umkehrbaren Weise“ vorgehen. 

Abschließende Beschlüsse dürften laut EU-Diplomaten erst beim Gipfel im Juni fallen, um den Druck auf Erdogan aufrecht zu erhalten. Die Staats- und Regierungschefs warnen Ankara vor „erneuten Provokationen oder einseitigen völkerrechtswidrigen Handlungen“, die nach früheren Beschlüssen weitere Sanktionen etwa zum Gas-Streit im östlichen Mittelmeer zur Folge haben könnten. 

Die EU-Kommission wurde zudem beauftragt, einen Vorschlag für die weitere Finanzhilfe für die Versorgung der 3,7 Millionen Syrien-Flüchtlinge in der Türkei auszuarbeiten. In einem Flüchtlingsabkommen von 2016 hatte die EU Ankara bereits sechs Milliarden Euro zugesagt, die inzwischen weitgehend ausgegeben oder fest verplant sind. In dem neuen Finanzpaket sollen nun auch Nachbarländer wie Jordanien und Libanon berücksichtigt werden.

Kritik an dem Angebot an Erdogan kam aus dem Europaparlament. Anstatt „Solidarität mit der türkischen Bevölkerung und der demokratischen Opposition“ zu üben, bereite die EU „einen neuen Pakt der Schande mit dem Erdogan-Regime“ vor, schrieb Linken-Ko-Fraktionschef Martin Schirdewan nach dem Beschluss auf Twitter. Auf Vertreter von Sozialdemokraten und Grünen hatten zuvor ein Entgegenkommen wegen der jüngsten innenpolitischen Entwicklungen abgelehnt.

Kein Wort verlieren die EU-Regierungen in der Erklärung zur Zukunft der Beitrittsverhandlungen mit Ankara. Sie waren nach den Massenverhaftungen von Erdogan-Gegnern infolge des vereitelten Militärputsches von 2016 auf Eis gelegt worden.

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