Im Streit zwischen Polen und Deutschland um die Nutzung der Gasfernleitung Opal hat der zuständige Generalanwalt am Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am Donnerstag dafür plädiert, Polen Recht zu geben. Es geht um die Frage, wie viel Pipelinekapazität der russische Konzern Gazprom nutzen darf. Polen hält eine durch Deutschland veranlasste Änderung für einen Verstoß gegen die Energiesolidarität. (Az. C-848/19 P)
Diese umfasst unter anderem die Versorgungssicherheit, die Polen durch die Neuregelung gefährdet sah. Opal ist die Verlängerung der Ostseepipeline Nord Stream 1, durch die russisches Erdöl nach Europa transportiert wird. Der Einspeisepunkt ist in Deutschland, der Ausspeisepunkt in Tschechien. Zunächst durfte Gazprom höchstens die Hälfte der Kapazitäten buchen.
2016 wollte die Bundesnetzagentur dies jedoch ändern. Die EU-Kommission stimmte zu, so dass Gazprom mehr Kapazitäten nutzen durfte. In der Folge wurde weniger Gas durch andere Leitungen wie etwa die Pipeline durch Polen und die Ukraine transportiert. Daraufhin zog Polen vor das Gericht der EU (EuG) und bekam Recht.
Deutschland legte aber vor dem EuGH Rechtsmittel gegen das EuG-Urteil ein. Es argumentierte vor allem, dass Energiesolidarität lediglich ein politischer Begriff und kein rechtliches Kriterium sei, aus dem Rechte und Pflichten abgeleitet werden könnten.
Dieser Argumentation folgte EuGH-Generalanwalt Manuel Campos Sánchez-Bordona in seinem am Donnerstag vorgestellten Gutachten nicht. Energiesolidarität beinhalte Rechte und Pflichten für die EU und ihre Mitgliedsstaaten, teilte er mit. Sie entfalte Rechtswirkungen und nicht nur rein politische Wirkungen.
Zudem müsse die Kommission die Interessen der einzelnen Staaten und der EU abwägen. Würden dabei einer oder mehrere Mitgliedsstaaten offensichtlich vergessen, entspreche die Entscheidung der Kommission nicht den Anforderungen. Der EuGH muss dem Generalanwalt in seiner Auffassung nicht folgen, tut es aber oft. Ein Termin für die Urteilsverkündung war noch offen.