Vor dem Start der mehrmonatigen EU-Reformkonferenz gibt es bei der Hälfte der Bürger in den Mitgliedstaaten Interesse an einer Teilnahme. In einer am Dienstag von EU-Kommission und Europaparlament veröffentlichten Umfrage gaben 14 Prozent an, sie würden sich auf jeden Fall an der sogenannten Konferenz zur Zukunft Europas beteiligen. Weitere 37 Prozent bezeichneten dies als „wahrscheinlich“.
In Deutschland lag das Interesse etwas höher als im EU-Durchschnitt, wie aus der Erhebung vom Oktober und November vergangenen Jahres hervorgeht. Demnach wollten 18 Prozent der Bundesbürger „definitiv“ mitmachen und 41 Prozent „wahrscheinlich“.
Am höchsten war die Begeisterung für die Konferenz in Irland: Dort wollten 37 Prozent sich auf jeden Fall persönlich einbringen und weitere 44 Prozent wahrscheinlich. Am geringsten ausgeprägt war das Interesse dagegen in Portugal, Bulgarien und Finnland.
Die Konferenz zur Zukunft Europas soll mit starker Bürgerbeteiligung bis zur ersten Jahreshälfte 2022 Vorschläge für eine Reform der EU ausarbeiten. Sie hätte eigentlich schon im vergangenen Jahr starten sollen, verzögerte sich aber wegen Streitigkeiten über die Führung des Reformprozesses und wegen der Corona-Pandemie.
Erste Veranstaltungen sollen nun zunächst online stattfinden. Eine Vereinbarung für den Start der Konferenz wird am Mittwoch im EU-Parlament unterzeichnet. An der Zeremonie nehmen dessen Präsident David Sassoli, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Portugals Regierungschef Antonio Costa teil, dessen Land derzeit den Vorsitz im Rat der Mitgliedstaaten innehat.
In der Umfrage sprachen sich 51 Prozent dafür aus, „normale Bürger“ aktiv an der Konferenz zu beteiligen. Als weitere erwünschte Teilnehmergruppen folgen junge Menschen (47 Prozent), nationale Regierungen (42 Prozent) sowie Experten und Wissenschaftler (40 Prozent). Eine Einbindung von EU-Institutionen hielten nur 31 Prozent für nötig, bei nationalen Parlamenten sind es 30 Prozent.
25 Prozent der EU-Bürger gehen davon aus, dass die Zukunftskonferenz „einen bedeutenden Fortschritt“ für die Demokratie bringen wird, wie aus der Erhebung weiter hervorgeht. Weitere 51 Prozent tendierten demnach dazu, diese Aussage zu unterstützen.
Insgesamt hatte zuletzt knapp die Hälfte der Bürger (47 Prozent) laut Umfrage ein positives Bild von der EU (Deutschland: 56 Prozent). Im EU-Schnitt haben dagegen 14 Prozent ein negatives Bild (Deutschland: neun Prozent). Die höchste Ablehnung gab es in Tschechien (29 Prozent) und Griechenland (24 Prozent).
Mit Blick auf die Zukunft sehen 45 Prozent der Befragten den Klimawandel als die größte globale Herausforderung für die Zukunft der EU. An zweiter und dritter Stelle werden Terrorismus (38 Prozent) und Gesundheitsrisiken (37 Prozent) genannt. „Zwangsmigration und Vertreibung“ ist für etwas mehr als ein Viertel (27 Prozent) die viertgrößte Herausforderung.
Bei den Entwicklungen, die sich die Befragten für Europas Zukunft wünschen, standen vergleichbare Lebensstandards an erster Stelle (35 Prozent). Es folgten eine stärkere Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten (30 Prozent), die Entwicklung einer gemeinsamen Gesundheitspolitik (25 Prozent) und vergleichbarer Bildungsstandards (22 Prozent).
Für die Umfrage wurden rund 27.000 EU-Bürger zwischen dem 22. Oktober und dem 20. November vergangenen Jahres befragt. In Deutschland waren es 1588.
Die grünen Europa-Politiker Franziska Brantner und Daniel Freund nannten die Zukunftskonferenz ein „deutliches Zeichen gegen die Populisten und ihre Mär vom bürgerfernen Brüssel“. Allerdings dürfe die Konferenz „keine Showveranstaltung“ sein. Die von den Bürgern vorgebrachten Vorschläge müssten auch umgesetzt werden. Dann könne die Zukunftskonferenz „ein wichtiger Schritt sein zu einer Föderalen Europäischen Republik mit echter Bürgerbeteiligung, starken Parlamenten und hohen Standards“.