Reporter ohne Grenzen erstattet Anzeige gegen Saudi-Arabiens Kronprinzen in Karlsruhe

Mohammed bin Salman - Bild: World Tourism Organization/CC BY-NC-ND 2.0
Mohammed bin Salman - Bild: World Tourism Organization/CC BY-NC-ND 2.0

Nach dem vernichtenden US-Geheimdienstbericht zum Mord an dem Journalisten Jamal Khashoggi wächst der internationale Druck auf das saudiarabische Königshaus. Im Zusammenhang mit dem Fall erstattete Reporter ohne Grenzen (RSF) beim Generalbundesanwalt Strafanzeige gegen den saudiarabischen Kronprinzen Mohammed bin Salman wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie die Journalistenorganisation am Dienstag bekannt gab. Die Verlobte Khashoggis und die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche und willkürliche Exekutionen begrüßten den Schritt. 

Der Journalist Jamal Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul von einem 15-köpfigen saudiarabischen Geheimdienstkommando ermordet worden. Seine Leiche wurde zerstückelt. Der saudiarabische Journalist und Regierungskritiker lebte damals im Exil in den USA und schrieb für die „Washington Post“. 

Riad hatte die Ermordung Khashoggis zunächst bestritten. Später wurden bei einem undurchsichtigen Prozess in Saudi-Arabien fünf saudiarabische Staatsbürger zum Tode und drei weitere zu Haftstrafen verurteilt. Die Todesstrafen wurden seither in Haftstrafen verwandelt. 

Reporter ohne Grenzen wirft dem mächtigen Thronfolger bin Salman und vier weiteren hochrangigen Vertretern des Königshauses, darunter bin Salmans engem Berater Saud al-Kahtan, die systematische Verfolgung von Medienschaffenden vor. Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe bestätigte der Nachrichtenagentur AFP den Eingang der RSF-Strafanzeige.

Neben dem getöteten Khashoggi bezieht sich die Strafanzeige auf 33 derzeit und eine bis vor kurzem in Saudi-Arabien inhaftierte Medienschaffende. Diese seien „Opfer von Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß dem deutschen Völkerstrafgesetzbuch“, erklärte Reporter ohne Grenzen. Als Straftatbestände nennt die Organisation unter anderem vorsätzliche Tötung, Folter sowie Verfolgung aus politischen Gründen. 

„Die Verantwortlichen für den Mord an Jamal Khashoggi und für die Verfolgung von Journalistinnen und Journalisten in Saudi-Arabien müssen für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden“, sagte der internationale Chef von Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire. 

„Die deutsche Justiz kann jetzt zu einem weltweiten Vorreiter werden, indem sie Strafermittlungen zu diesen Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Saudi-Arabien aufnimmt“, erklärte der Geschäftsführer von RSF Deutschland, Christian Mihr. „Der Generalbundesanwalt sollte jetzt ernsthaft prüfen, ob er ein Ermittlungsverfahren eröffnen und Haftbefehle erlassen kann.“

Reporter ohne Grenzen zufolge erlaubt das deutsche Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) den deutschen Gerichten, nach dem Weltrechtsprinzip gegen schwerste Verbrechen von internationaler Bedeutung auch dann vorzugehen, wenn sie im Ausland und ohne Bezug zu Deutschland verübt wurden. Diese rechtliche Möglichkeit sei zuletzt unter anderem im Fall zweier in Koblenz angeklagter syrischer Geheimdienstmitarbeiter genutzt worden. 

Die in der Türkei lebende Verlobte Khashoggis, Hatice Cengiz, begrüßte die Ankündigungen von RSF und bekräftigte ihren Aufruf, Kronprinzen bin Salman zur Verantwortung zu ziehen. Die UN-Sonderberichterstatterin für außergerichtliche, standrechtliche und willkürliche Exekutionen, Agnès Callamard, sprach von einem „fundamentalen Schritt“ der „die Grenzen der internationalen Justiz“ verschieben könnte.

Erst am Freitag hatten die USA einen Geheimdienstbericht veröffentlicht, in dem Mohammed bin Salman für die Ermordung Khashoggis direkt verantwortlich gemacht wird. Der Thronfolger habe den Einsatz zur Ergreifung oder Tötung des Regierungskritikers „genehmigt“, hieß es in dem Bericht. 

In der Folge kündigten die USA Sanktionen gegen dutzende saudiarabische Staatsbürger und eine saudiarabische Eliteeinheit an, die dem Kronprinzen als Leibgarde dient. Kritik gibt es jedoch, weil die USA keine Sanktionsmaßnahmen gegen bin Salman verhängen wollen.

Die Regierung von US-Präsident Joe Biden forderte allerdings inzwischen die Auflösung der Eliteeinheit. Diese dürfe nicht weiter bestehen, sagte US-Außenamtssprecher Ned Price am Montag in Washington. Riad sei aufgefordert worden, die Schnelle Eingreiftruppe aufzulösen und dann Reformen umzusetzen, um sicherzustellen, dass Aktivitäten gegen Regierungskritiker „vollständig“ eingestellt würden. 

Riad wies den US-Geheimdienstbericht „komplett“ zurück. Das Königshaus streitet jede Verwicklung des Kronprinzen in den Mordfall Khashoggi ab.

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