Übergangsvorschrift zu rückwirkender Einziehung von Taterträgen verfassungsgemäß

Justitia (über izzet ugutmen / shutterstock.com)
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Eine Übergangsvorschrift zur rückwirkenden Einziehung von Erträgen aus einer bereits verjährten Tat ist verfassungsgemäß. Sie sei durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt, teilte das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe am Freitag mit und beantwortete so eine Frage des Bundesgerichtshofs (BGH). Dieser muss über die Revision zweier Unternehmen entscheiden, deren Leiter oder Geschäftsführer zwar wegen Verjährung vom Vorwurf der Beschäftigung von Schwarzarbeitern freigesprochen wurden – deren Erträge daraus aber trotzdem eingezogen werden sollten. (Az. 2 BvL 8/19)

Es geht um ein Unternehmen der Fleischindustrie und einen Personaldienstleister, die in den Jahren 2008 bis 2010 mehr als 900 Arbeiter aus Bulgarien schwarz beschäftigt oder diese Beschäftigung teils über Werkverträge organisiert haben sollen. 

Trotz des Freispruchs der beiden Angeklagten wegen Verjährung im Oktober 2017 ordnete das Landgericht Oldenburg die Einziehung der Taterträge ein – also den Wert der von den schwarz Beschäftigten geleisteten Arbeitsstunden und den Erlös aus der Vermittlung. Das fleischverarbeitende Unternehmen sollte zehneinhalb Millionen Euro zahlen, der Personaldienstleister 72.000 Euro. 

Nach dem seit Juli 2017 geltenden Recht ist eine solche rückwirkende Einziehung auch bei verjährten Taten zulässig. Das Landgericht wandte eine Übergangsvorschrift an, derzufolge die neuen Regeln auch rückwirkend für Taten gelten, die vor der Neuregelung begangen wurden und verjährt waren. Die Unternehmen legten beim BGH Revision ein. Dieser setzte das Verfahren aus und fragte das Bundesverfassungsgericht, ob die Übergangsvorschrift mit dem Grundgesetz vereinbar sei.

Das bejahte das Bundesverfassungsgericht nun. Die Vermögensabschöpfung sei keine Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art, stellte das Gericht fest. Die Einziehung von Taterträgen aus bereits verjährten Taten sei auch nicht als Strafe anzusehen. Die sogenannte Rückbewirkung von Rechtsfolgen sei hier ausnahmsweise zulässig. 

Der Gesetzgeber verfolge unter anderem das legitime Ziel, „auch für verjährte Taten vermögensordnend zugunsten des Geschädigten einer Straftat einzugreifen“ und dem Täter den Ertrag – auch im Fall fehlender Strafverfolgung – nicht dauerhaft zu belassen, teilte das Gericht mit. Dieses Ziel sei überragend wichtig.

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