Der Verfassungsschutz hat die AfD zum Rechtsextremismus-Verdachtsfall erklärt und damit ihre Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln ermöglicht. Ausgenommen davon sind allerdings AfD-Abgeordnete sowie Kandidaten für Parlamente, wie die Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch aus Parlamentskreisen erfuhr. Die AfD-Spitze zeigte sich empört und warf dem Verfassungsschutz politische Motive vor. Bundestags-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, die AfD werde ihren Kurs fortsetzen. Von CDU/CSU, SPD, Grünen und FDP kam Zustimmung zum Vorgehen des Verfassungsschutzes.
Mit seiner Entscheidung verzichtet das Kölner Bundesamt vorerst auf eine geheimdienstliche Überwachung von Abgeordneten in Bund, Ländern und im Europaparlament. Dasselbe gilt für Kandidatinnen und Kandidaten bei den anstehenden Wahlen. Für eine Beobachtung von Parlamentariern gebe es besonders hohe Hürden, hieß es aus den Parlamentskreisen. Die AfD hatte gegen eine Einstufung als Verdachtsfall durch den Verfassungsschutz und Verlautbarungen dazu geklagt.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) und das Bundesinnenministerium äußerten sich mit Verweis auf eine Stillhaltezusage nicht zu der Entscheidung. „Mit Blick auf das laufende Verfahren und aus Respekt vor dem Gericht äußert sich das BfV in dieser Angelegenheit nicht öffentlich“, erklärte das Bundesamt.
Der Entscheidung des Bundesamts war eine zweijährige Prüfung vorangegangen. Mit Einstufung einer Partei als Verdachtsfall können deren Mitglieder observiert und abgehört werden, außerdem darf der Verfassungsschutz V-Leute einsetzen. Parteimitglieder, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sind, müssen mit Schwierigkeiten in ihrer Dienststelle rechnen.
Die AfD erhob schwere Vorwürfe. Dass sich der Verfassungsschutz an seine eigene Stillhaltezusage „nicht gehalten hat, ist offensichtlich und ein Skandal“, erklärten die Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla. Dies drohe „die AfD gerade in einem Superwahljahr massiv zu schädigen“. Die Partei werde „deshalb auch hier alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen“.
Die AfD-Fraktionschefs Alice Weidel und Alexander Gauland erklärten: „Hier wird gezielt versucht, mit Hilfe des Inlandsgeheimdienstes die Wahlchancen der AfD zu schmälern.“
Gauland verglich das Bundesamt mit der DDR-Staatssicherheit. Der Verfassungsschutz werde gerade von den Menschen in Ostdeutschland „mit großen Zweifeln“ gesehen, sagte er in Berlin. Der Fraktionschef betonte, dass sich die AfD nicht beeindrucken lasse. „Keine Anpassung an den Verfassungsschutz“ sei seine Meinung, sagte er. „Wer einen Kotau macht, hat schon verloren.“
Zustimmung zur Entscheidung des Verfassungsschutzes kam aus den anderen Parteien. Diese bestätige, „dass sich die AfD in ihrem Wesenskern gegen die Demokratie und unsere freiheitliche Ordnung wendet“, erklärte der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich. Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) betonte in der „Augsburger Allgemeinen“, dass die Entscheidung keine politischen Motive habe. Sie werde „am Ende einer gerichtlichen Prüfung standhalten“.
SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil sagte dem „Spiegel“: „Das rechtsextreme Gesicht der AfD ist in den letzten Jahren immer sichtbarer geworden.“ Die AfD lebe davon, „dass es Hass und Hetze gibt, die unsere Gesellschaft spalten“.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz nannte es „richtig, dass der Verfassungsschutz seine Informations- und Faktenlage, wie sie derzeit offensichtlich bei der Behörde vorliegt, jetzt transparent macht“. Solche Erkenntnisse mit Blick auf das Wahljahr nicht zu veröffentlichen, „wäre hochproblematisch“, erklärte von Notz.
FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Eine wehrhafte Demokratie muss dem Treiben der Rechtsextremen nicht tatenlos zusehen.“ Die Entscheidung des Kölner Bundesamtes „prägt der AfD den Stempel der Unwählbarkeit auf die Stirn“.
Auch der Zentralrat der Juden begrüßte die Entscheidung. „Das Vorgehen des Verfassungsschutzes bestätigt die Gefahr, die von der AfD ausgeht“, erklärte Zentralratspräsident Josef Schuster.“