Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, ermahnt die Politik zu gut vorbereiteten und auf wissenschaftlicher Basis konzipierten Beschlüssen zur Corona-Eindämmung. „Weitreichende Lockdown-Maßnahmen wie Ausgangssperren oder erneute Schulschließungen sollten nicht im statistischen Blindflug veranlasst werden, sondern auf Grundlage sauberer und verlässlicher Daten“, sagte er der „Rheinischen Post“ vom Mittwoch.
„Die letzte Bund-Länder-Runde zur sogenannten Osterruhe hat gezeigt, dass unausgegorene Entscheidungen Vertrauen und Akzeptanz in der Bevölkerung kosten können“, analysierte Reinhardt. Daraus sollten alle Beteiligten lernen. „Die weitere Corona-Politik in Deutschland sollte deshalb unter Einbeziehung breiterer Expertise von zahlreichen Professionen im Bundestag diskutiert und auch vom Parlament legitimiert werden.“ Das wären „echte vertrauensbildende Maßnahmen, die uns sicher mehr bringen als Schnellschüsse ohne ausreichende wissenschaftliche Grundlage“.
Zur aktuellen Corona-Lage sagte Reinhardt, die zunehmende Belegung der Betten auf den Intensivstationen sei „ein deutlicher Warnhinweis“. Verlässliche Erhebungen über Neuinfektionen lägen allerdings momentan nicht vor, „weil über Ostern möglicherweise weniger oder verspätet gemeldet worden ist“.
Reinhardt reagierte mit seinen Äußerungen unter anderem auf die Forderung von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) nach einem zeitlich begrenzten harten Lockdown. Diesen möchte Laschet möglichst auf einer vorgezogenen Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beschließen. Bisher ist die nächste Bund-Länder-Runde für Montag geplant.
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) äußerte sich zurückhaltend zu Laschets Vorstoß. „Den von ihm in die Diskussion eingebrachten ‚Brücken-Lockdown‘ in Ergänzung oder anstelle des seit November durchgängig bestehenden Lockdowns kann man erst einschätzen und interpretieren, wenn bekannt ist, welche Maßnahmen und Zeiträume genau damit gemeint und umfasst sind“, sagte KBV-Chef Andreas Gassen der „Rheinischen Post“.
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sagte der Zeitung, nötig sei ein harter, bundesweiter Lockdown „ab jetzt für mindestens zwei Wochen“. Damit müsse „ein Moratorium für jegliche Öffnungsschritte gelten, das beinhaltet ausdrücklich auch die Modellprojekte im Saarland“. Das Bundesland hatte am Dienstag bestimmte Bereiche wie Außenbereiche von Restaurants sowie Theater und Kinos unter Auflagen wieder geöffnet.
Lauterbach verlangte unter anderem eine bundesweite Ausgangssperre von 20.00 bis 06.00 Uhr und mehr Auflagen für die Wirtschaft. „Die Testbereitschaft der Unternehmen ist immer noch viel zu gering, wir brauchen eine Testpflicht in allen Betrieben mit Präsenzarbeit sowie eine Homeoffice-Pflicht“, sagte der SPD-Politiker.