Ärztepräsident Reinhardt fordert Nachschärfung des Infektionsschutzgesetzes

Deutschland - Bild: Mehaniq via Twenty20
Deutschland - Bild: Mehaniq via Twenty20

Ärztepräsident Klaus Reinhardt hat die Bundestagsfraktionen aufgefordert, das geplante Infektionsschutzgesetz nachzuschärfen und neben dem Inzidenzwert noch weitere Kriterien für die Aktivierung der Corona-Notbremse mit aufzunehmen. „Der Inzidenzwert allein sagt nichts über die tatsächliche Krankheitslast aus, da Infektionen häufig ohne oder mit nur geringen Symptomen verlaufen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer der „Rheinischen Post“ (Dienstagsausgabe).

Aus medizinischer Sicht sei es daher geboten, bei der Entscheidung über die Lockerung oder Verschärfung von Schutzmaßnahmen „weitere epidemiologische Daten zu berücksichtigen“, sagte Reinhardt. Konkret schlug er vor, etwa die Zahl der täglichen Neuaufnahmen von Corona-Intensivpatienten sowie die Anzahl intensivpflichtiger und invasiv beatmeter Patienten der letzten sieben Tage mit aufzunehmen.

Auf Grundlage dieser Daten ließe sich auch ein „Prognoseindex“ über den erwartbaren Pandemie-Verlauf der kommenden Wochen erstellen, sagte der Ärztepräsident. „Statt immer nur zu reagieren, könnten wir dann rechtzeitig geeignete Eindämmungsmaßnahmen veranlassen“.

Der frühere Chef der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), Uwe Janssens, warf Bund und Ländern unterdessen vor, die Ärzte durch politisches Missmanagement in Situationen zu bringen, in denen im Ernstfall auch eine Triage-Entscheidung nötig werden könnte. „Wenn jetzt nicht sofort konsequent und bundeseinheitlich wieder für mehr Kontaktbeschränkungen gesorgt wird, ist auch die Triage in den nächsten Wochen weiterhin nicht ausgeschlossen“, sagte Janssens der „Rheinischen Post“.

Von einer Triage wird gesprochen, wenn Ärzte entscheiden müssen, welche Patienten sie bei begrenzten Kapazitäten bevorzugt behandeln. Bei Corona-Patienten müssten die Ärzte etwa entscheiden, wer an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird und wer nicht.

Die Triage sei „das Schlimmste, was Ärztinnen und Ärzten passieren kann“, sagte Janssens. „Tragische Entscheidungen von diesem Ausmaß darf man Ärzten nicht zumuten“. Die Ärzte würden aber „durch eine fehlerhafte Politik, durch politisches Missmanagement seit einem Jahr in diese unsägliche Situation hineingetrieben, die mit den geeigneten Maßnahmen definitiv zu verhindern wäre“, erklärte der Intensivmediziner. Ärzte, die Triage-Entscheidungen fällen müssten, könnten hinterher sogar strafrechtlich belangt werden. Das sei skandalös.

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