Bund plant einheitliche nächtliche Corona-Ausgangssperren ab Inzidenz von 100

Deutscher Bundestag - Bild: Stefan Woidig
Deutscher Bundestag - Bild: Stefan Woidig

Mit einer bundesweit verbindlichen Notbremse in Gebieten mit hohen Infektionszahlen will die Bundesregierung die dritte Corona-Welle in den Griff bekommen. Dazu plant der Bund nächtliche Ausgangssperren von 21.00 Uhr bis 05.00 Uhr in allen Landkreisen und kreisfreien Städten ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100, wie aus dem Entwurf zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes hervorgeht. Der Deutsche Städtetag begrüßte die Pläne, die FDP will hingegen zu harte Regelvorhaben verhindern.

Mit der geplanten Gesetzesänderung, die im Eilverfahren durch Kabinett und Parlament beschlossen werden soll, zieht der Bund mehr Kompetenzen in der Pandemie-Bekämpfung an sich. „Damit werden dem Bund zusätzlich dieselben Handlungsmöglichkeiten wie den Ländern gegeben, um eine bundesweit einheitliche Steuerung des Infektionsschutzes zu gewährleisten“, heißt es in der „Formulierungshilfe“ für die Koalitionsfraktionen von Union und SPD, die der Nachrichtenagentur AFP am Samstag vorlag.

Im Kern sieht sie folgende Regelung vor: „Es wird eine bundesweit verbindliche Notbremse ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 eingeführt.“ Geplant sind bei zu hohen Inzidenzen demnach „zusätzliche verhältnismäßige Maßnahmen“, die dann wieder außer Kraft treten, wenn die Inzidenz-Schwelle drei Tage lang unterschritten wird. Zu den Maßnahmen zählt die nächtliche Ausgangssperre – das Verlassen der Wohnung ist dann zum Beispiel nur bei medizinischen Notfällen, zur Berufsausübung oder Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen erlaubt.

Schulen, Kitas, Hochschulen und außerschulische Einrichtungen der Erwachsenenbildung sollen bei Inkrafttreten der Notbremse keinen Präsenzunterricht mehr anbieten, dafür gibt es aber Ausnahmen. Geschäfte mit Ausnahmen des Lebensmittelhandels, der Apotheken, Drogerien und Tankstellen sollen geschlossen bleiben, Übernachtungsangebote sollen untersagt werden. Dasselbe gilt für die Gastronomie – mit Ausnahme von Essen zum Abholen.

Zur Begründung heißt es in dem Entwurf: „Es besteht deutschlandweit eine sehr dynamische und ernstzunehmende Situation mit starker Zunahme der Fallzahlen innerhalb weniger Tage.“ Deshalb seien „Maßnahmen mit bundeseinheitlichen Standards erforderlich“. 

Das Robert-Koch-Institut meldete am Samstagmorgen 24.097 Neuinfektionen mit dem Coronavirus innerhalb eines Tages sowie 246 weitere Todesfälle. Die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz stieg auf 120,6.

Bereits am Dienstag soll das Bundeskabinett die Gesetzesvorlage verabschieden, dafür wurde die Kabinettssitzung vorgezogen. Auch der Bundestag soll sich kommende Woche damit befassen, für den Bundesrat dürfte eine Sondersitzung anberaumt werden.

Städtetagspräsident Burkhard Jung sagte den Funke Zeitungen, bisher habe es „zu viel Durcheinander in den Ländern“ zu den Bedingungen einer Notbremse gegeben. „Deshalb begrüßen die Städte, dass nun das Infektionsschutzgesetz des Bundes geändert und ein gemeinsamer bundeseinheitlicher Rahmen geschaffen werden soll.“ Um Vertrauen zurückzugewinnen, brauche es nun eine gute Kommunikation von Bund und Ländern. Die „widersprüchliche Kommunikation von nicht ausgereiften Ideen“ in den vergangenen Wochen sei „sehr unglücklich“ gewesen.

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) warnte ebenfalls vor einem Zerwürfnis – es dürfe „keine Front zwischen Bund und Ländern geben“, sagte er den Funke Zeitungen. „Wir sind darauf angewiesen, dass wir diese Pandemie gemeinsam bekämpfen.“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich versprach ein schnelles Verfahren im Parlament. „Änderungen am Infektionsschutzgesetz können für mehr Klarheit sorgen und dem Eindruck eines Flickenteppichs entgegenwirken“, sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND). Zusätzlich sei jedoch auch „mehr Schutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ nötig. „Beim Homeoffice haben viele Unternehmen noch Luft nach oben, es gibt noch zu wenig Testangebote in den Betrieben.“ Die Unternehmen müssten in die Pflicht genommen werden.

FDP-Chef Christian Lindner sagte der „Rheinischen Post“, es sei für die FDP-Fraktion „selbstverständlich“, sich konstruktiv in die Beratungen einzubringen. Es gehe dabei aber auch um die „Verhältnismäßigkeit dieser Regeln“. Aus einer Notbremse dürfe „kein Anlass für einen unverhältnismäßigen Lockdown werden“. Es müsse auch weiter Raum für Schutzkonzepte mit Maskenpflicht und systematischen Tests bleiben.

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