Bundesregierung denkt weiter über stärkeres Eingreifen in Pandemie-Politik nach

Angela Merkel, Markus Söder und Michael Müller - Bild: Bundesregierung/Kugler
Angela Merkel, Markus Söder und Michael Müller - Bild: Bundesregierung/Kugler

Im Streit über das richtige Vorgehen in der Corona-Pandemie hält sich die Bundesregierung die Möglichkeit eines stärkeren Eingreifens offen. Es werde überlegt, „ob und wie der Bund einheitliche Vorgaben machen soll, falls das Vorgehen der Länder nicht ausreicht“, sagte ein Regierungssprecher am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich wünschte sich derweil konkrete Vorschläge der Bundeskanzlerin. Aus Thüringen kam der Vorschlag, einen permanenten Bund-Länder-Krisenstab einzurichten.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte am vergangenen Sonntag in der ARD-Sendung „Anne Will“ gesagt, die Länder müssten bei der Pandemiebekämpfung „nachlegen“. Sie kritisierte Lockerungsschritte und stellte zugleich in den Raum, dass der Bund – etwa über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes – selbst die Initiative ergreifen könnte.

„Die Länder haben das ganze Instrumentarium zur Verfügung und wir beobachten, dass in vielen Ländern jetzt auch zusätzliche Maßnahmen umgesetzt werden“, sagte der Regierungssprecher. „Parallel dazu wird überlegt, ob und wie der Bund einheitliche Vorgaben machen soll, falls das Vorgehen der Länder nicht ausreicht, um die dritte Welle zu stoppen.“ Zum zeitlichen Horizont der Erwägungen äußerte sich der Sprecher nicht.

Mützenich fordert von Merkel konkrete Vorschläge. Wenn die Bundeskanzlerin tätig werden wolle, „dann würde ich mir wünschen, dass sie nicht nur bei ‚Anne Will‘ auftritt, sondern konkrete, umsetzbare Vorschläge vorlegt“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“. Er sei „sehr verwundert“ über Merkels Aussagen in der Sendung gewesen. „Das war größtenteils unaufrichtig und konfus.“

Die Kanzlerin habe den Eindruck erweckt, „jetzt plötzlich das Infektionsschutzgesetz stärker zum Regelungsinstrument für ein bundeseinheitlicheres Vorgehen machen zu wollen“, sagte Mützenich. „Dabei hat die SPD-Bundestagsfraktion im letzten Jahr genau das mehrfach vorgeschlagen und ist an der Union, insbesondere aber am Kanzleramt, gescheitert.“

Der thüringische Innenminister Georg Maier (SPD) schlug vor, das derzeitige Corona-Krisenmanagement der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) durch einen ständigen Krisenstab mit Vertretern aus Bund und Ländern zu ersetzen. Die „desaströse“ MPK vor eineinhalb Wochen habe zu einem großen Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt, schrieb in einem Gastbeitrag für das Magazin „Business Insider“.

Es müssten deshalb dringend Wege gefunden werden, die Runde von operativer Krisenarbeit zu entlasten, sagte Maier. Er plädierte dafür, der MPK „eine ständige Stabsstruktur zur Seite zu stellen“, die sowohl vom Bund als auch von den Ländern mit erfahrenen Krisenmanagern und -managerinnen besetzt werden solle. 

Die Linke-Vorsitzende Janine Wissler erklärte, die Bundesregierung nehme „sehenden Auges in Kauf, dass noch mehr Menschen an Corona erkranken und sterben“. Die Zeit für Appelle an die Länder sei abgelaufen.

Konkret verlangte Wissler eine Homeoffice-Pflicht und verbindliche tägliche Tests für alle Beschäftigten, die nicht zu Hause arbeiten können. „Es ist völlig unverständlich, dass die Bundesregierung bislang nichts unternimmt, um diese Schwachstelle der Pandemiebekämpfung zu schließen.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte Verständnis für den Unmut vieler Bürger über die unklare Corona-Politik von Bund und Ländern. „So wie die Pandemie Ihnen viel abverlangt, so dürfen Sie auch viel von der Politik verlangen“, sagte er laut Redemanuskript in einer Fernsehansprache, die am Samstagabend ausgestrahlt werden sollte. „Ihre Erwartung an die Regierenden ist klar: Rauft euch zusammen!“

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