Eigentlich ist es nur die Frage nach einem Zeitpunkt. Doch sie birgt höchstes Konfliktpotenzial für den AfD-Parteitag am Wochenende. Es geht um die Spitzenkandidatur für die Bundestagswahl. AfD-Chef Jörg Meuthen will die Frage nach dem Parteitag von der Basis entscheiden lassen, führende Kräfte des rechtsnationalen Lagers dringen auf Klärung vor Ort in Dresden – beide Seiten erwarten sich jeweils Vorteile dadurch. Als Anwärter für die Spitzenkandidatur werden gehandelt:
Alice Weidel:
Sie bildete 2017 mit Alexander Gauland das Spitzenkandidaten-Duo. Seit dem Einzug in den Bundestag führen beide gemeinsam die AfD-Fraktion. Seit Ende 2019 ist Weidel stellvertretende Bundesvorsitzende, außerdem seit gut einem Jahr Chefin des AfD-Landesverbands Baden-Württemberg. Dass die AfD bei der dortigen Landtagswahl deutlich verlor, trug nicht zur Stärkung ihres parteiinternen Ansehens bei. Belastet wird Weidel bereits seit längerem durch die Affäre um dubiose Spenden aus der Schweiz an ihren Kreisverband Bodensee.
Die promovierte Volkswirtin machte sich in der AfD als Scharfmacherin einen Namen. Ihr zentrales Thema: Der angebliche Zerfall der inneren Sicherheit in Deutschland als Folge der Flüchtlingskrise. Der Grund, dass Weidel 2013 in die Partei eintrat, war allerdings die Euro-Rettungspolitik der Bundesregierung – das zentrale Thema der AfD in ihrer Gründungszeit.
Die 42-Jährige gilt als erbitterte Gegenspielerin von Parteichef Meuthen, dieser will sie als Spitzenkandidatin verhindern. Gut vernetzt ist Weidel mit den rechtsnationalen Kräften des formal aufgelösten „Flügels“. Als offen homosexuelle Politikerin, die mit ihrer Lebenspartnerin zwei Söhne großzieht, ist Weidel in ihrer Partei eine Ausnahmeerscheinung.
Joana Cotar:
Sollte sich die Vertraute Meuthens als Spitzenkandidatin durchsetzen, wäre das ein Sieg für die wirtschaftsliberalen Kräfte um den AfD-Vorsitzenden. Die 48-Jährige rückte Ende 2020 als Beisitzerin in die engere Parteispitze auf – wodurch Meuthen seine knappe Mehrheit im Bundesvorstand ausbauen konnte. Seit 2017 sitzt Cotar für die hessische AfD im Bundestag, sie ist digitalpolitische Sprecherin der Fraktion.
Die gebürtige Rumäniendeutsche floh mit ihrer Familie nach Deutschland, als sie fünf Jahre alt war. Sie ist seit der Parteigründung 2013 AfD-Mitglied und baute nach eigenen Angaben „die Partei in Hessen mit auf“. Während ihrer Studienzeit war sie Mitglied der CDU. Die studierte Politikwissenschaftlerin und Germanistin arbeitete als Eventmanagerin bei Finanzinstituten in Deutschland und der Schweiz, zuletzt als Projektmanagerin in der IT-Branche.
Cotar nennt sich selbst „eine von den Freiheitlichen“ in der AfD. Freiheit sei ihr zentrales Thema. In den Flügelkämpfen der AfD sieht sie eine Gefahr für den Bestand der gesamten Partei. In der Internetzeitung „The GermanZ“ warb sie kürzlich indirekt für ein Team mit dem Ko-Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla: „Ost und West, Mann und Frau, Sozial und Freiheitlich.“
Tino Chrupalla:
Der 45-jährige Malermeister trat Ende 2019 die Nachfolge Gaulands als AfD-Bundesvorsitzender an. Neben dem in Westdeutschland beheimateten Meuthen steht Chrupalla vor allem für die ostdeutschen Landesverbände. Er wolle „eine starke Stimme des Ostens“ sein, sagte der gebürtige Sachse nach seiner Wahl zum Parteichef. Sein Anspruch, gemeinsam mit Meuthen die Gräben zwischen Ost und West zu überwinden, blieb angesichts der erbitterten Richtungskämpfe in der AfD bislang Theorie.
Dem im Osten dominanten, formal aufgelösten „Flügel“ gehörte Chrupalla nicht an. Er hat aber beste Kontakte zu dessen Vertretern, auch zu dem Thüringer Björn Höcke. Chrupalla holte in seinem Wahlkreis Görlitz für die AfD ein Direktmandat für den Bundestag. Der Vater von drei Kindern betont gerne seine Bürgernähe und seine Verankerung im ländlichen Raum.
Als Jugendlicher war er für kurze Zeit in der Jungen Union, nach der Wende wählte er nach eigenen Angaben CDU und FDP. Die Eurokrise habe ein „Umdenken“ bei ihm ausgelöst, 2015 trat er in die AfD ein. Im Bundestag ist Chrupalla Fraktionsvize und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie.