Die Sorgen um Nawalny wachsen – Putin-Kritiker im Straflager im Hungerstreik

MItya Aleshkovskiy / CC BY-SA
MItya Aleshkovskiy / CC BY-SA

Unterstützer von Alexej Nawalny sind hochbesorgt über den Gesundheitszustand des Kreml-Kritikers. Aus Protest gegen seine Haftbedingungen ist der 44-Jährige in den Hungerstreik getreten – und setzt damit sieben Monate nach dem auf ihn verübten Giftgasanschlag seinen Körper einer erneuten Extrembelastung aus. Dies sei „sehr beunruhigend“, sagt Ruslan Schaweddinow, ein Mitarbeiter Nawalnys. Niemand könne sagen, wie der Organismus nach einer Vergiftung auf die Nahrungsverweigerung reagiere.

Nawalny ist in der berüchtigten Strafkolonie Nr. 2 in der Kleinstadt Pokrow rund hundert Kilometer östlich von Moskau  inhaftiert. Er war nach seiner Rückkehr aus Deutschland, wo er nach dem Giftgasanschlag vom August 2020 behandelt worden war, zu mehr als zweieinhalb Jahren Haft wegen angeblicher Verstöße gegen Bewährungsauflagen verurteilt worden. Das Straflager gilt als eines der härtesten in Russland. Nawalny hat es als „Konzentrationslager“ bezeichnet.

Schon vor seinem Hungerstreik hatten sich Mitarbeiter Nawalnys besorgt über dessen Gesundheitszustand gezeigt. Nach ihren Angaben verlor der Oppositionelle in der Haft aufgrund von Schlafentzug acht Kilogramm Gewicht. Durch den Hungerstreik will Nawalny vor allem seine bessere ärztliche Versorgung durchsetzen. Der Oppositionelle leidet nach eigenen Angaben unter einem eingeklemmten Nerv im Rücken. 

Nawalny erhebt den Vorwurf, keine ausreichende ärztliche Behandlung zu bekommen. Deshalb drohe ihm der Verlust seines rechten Beins, klagte er vor einer Woche. Auch im linken Bein habe er allmählich kein Gefühl mehr, schrieb Nawalny dann am Mittwoch im Onlinedienst Instagram.

Mit dem Hungerstreik will Nawalny nach eigenen Worten erreichen, dass ein Arzt seine starken Rücken- und Beinschmerzen behandelt: „Ich habe ein Recht darauf, dass ein Arzt zu mir kommt und dass ich Medikamente erhalte.“ Der Kreml-Kritiker beklagt zudem, „mit Schlafentzug gequält“ zu werden. Acht Mal pro Nacht werde er von den Wärtern geweckt, die ihn permanent filmten. 

Die Gefängnisbehörde weist Nawalnys Vorwürfe zurück und beteuert, dieser erhalte jegliche notwendige medizinische Versorgung. Auch werde der prominente Häftling nicht im Schlaf gestört: „Die Vollzugsbeamten halten sich strikt an das Recht aller Häftlinge auf einen ununterbrochenen achtstündigen Schlaf.“

Unter welchen genauen Umständen Nawalny seinen Hungerstreik abhält, ist nicht bekannt. In der Vergangenheit hatten bereits Verbündete Nawalnys den Hungerstreik als Mittel des Protests gewählt: Ljubow Sobol nahm im Sommer 2019 über 32 Tage hinweg nur Flüssigkeit zu sich, weil ihr die Teilnahme an den Moskauer Kommunalwahlen verboten worden war, 2015 verbrachte Leonid Wolkow, die rechte Hand Nawalnys, zwölf Tage im Hungerstreik.

Der berühmteste Hungerstreik der vergangenen Jahre in Russland war jedoch jener des ukrainischen Filmemachers Oleg Senzow, der fünf Jahre in einem russischen Lager eingesperrt war. Senzow verweigerte 145 Tage lang die Nahrungsaufnahme – mit der Aktion forderte er die Freilassung aller in Russland inhaftierten ukrainischen politischen Gefangenen. Senzow brach den Streik erst ab, nachdem ihm die Zwangsernährung angedroht worden war.

Eine solche Maßnahme – die Menschenrechtsaktivisten als Folter betrachten – könnte auch Nawalny drohen, sollte er seinen Hungerstreik lange durchziehen. Der Ökonom Sergej Guriew, ein Verbündeter Nawalnys, bezeichnet dessen Aktion als „verzweifelten Schritt“. Der Hungerstreik zeige, dass Nawalny nach eigener Wahrnehmung „nichts zu verlieren hat, seine Lage unerträglich ist“.

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