Uneinigkeit über Ausgestaltung von EU-Impfzertifikat

Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro
Europäische Union - Bild: Mauro Bottaro

Zwischen dem EU-Parlament und den Mitgliedstaaten bahnt sich ein Streit über die Ausgestaltung des geplanten Impfzertifikats zum Reisen in Europa an. EU-Abgeordnete forderten am Mittwoch weitgehende Änderungen an den bisherigen Plänen. Aus Diplomatenkreisen kam umgehend scharfe Kritik. EU-Justizkommissar Didier Reynders mahnte zu konstruktiven Verhandlungen, um den Zeitplan bis zum Sommer nicht zu gefährden.

Die EU-Kommission hatte auf Wunsch der Mitgliedstaaten in der Corona-Pandemie die Einführung eines sogenannten grünen Zertifikats in die Wege geleitet. Es soll allen EU-Bürgern zugänglich sein, überall anerkannt werden und so das grenzüberschreitende Reisen erleichtern. Die Details müssen noch zwischen Parlament und Rat der Mitgliedstaaten ausgehandelt werden.

Die EU-Abgeordneten kritisieren etwa, dass die Mitgliedstaaten sich vorbehalten wollen, weiterhin auch nachweislich Corona-Geimpften oder negativ Getesteten beim Grenzübertritt Test- und Quarantänepflichten aufzuerlegen. Dies dürfe unter der EU-Regelung zum Impfzertifikat nicht gestattet sein, sagte die niederländische Liberale Sophie In’t Veld. „Was bringt denn sonst eine gemeinsame europäische Regelung?“

„Das Europäische Parlament spielt ein gefährliches Spiel“, sagte dazu ein Diplomat eines EU-Landes. „Ideen wie der Verzicht auf Quarantänemaßnahmen bei einem negativen Covid-Test werden dem Ernst der Lage nicht gerecht“. Eine Einigung könne es nur geben, wenn das Parlament von derartigen Forderungen abrücke.

Weiterer Streit droht mit Blick auf russische und chinesische Impfstoffe. Grundsätzlich sollen nur Impfungen mit den in der EU zugelassenen Vakzinen in das Impfzertifikat eingetragen werden können. Die Pläne sehen bislang aber vor, dass Mitgliedstaaten auch andere Mittel akzeptieren können. Einige EU-Länder, vor allem Ungarn, verimpfen auch das russische Mittel Sputnik V und Impfstoffe chinesischer Produktion.

„Nur von der EMA autorisierte Impfstoffe sollten akzeptiert werden“, forderte In’t Veld. Das sei eine Frage des Vertrauens in das System. Die EMA prüft bislang eine Zulassung von Sputnik V, verwies bislang aber auf fehlende Informationen. Eine EU-Zulassung chinesischer Vakzine stand bislang nicht ernsthaft zur Debatte.

Vor dem Hintergrund, dass das Zertifikat auch negative Testergebnisse enthalten soll, sollten die Mitgliedstaaten nach Ansicht der Abgeordneten kostenlose Corona-Tests anbieten. Nach Parlamentsangaben variieren die Kosten hier stark: In einigen Ländern werden demnach dreistellige Euro-Beträge für einen Abstrich fällig.

„Das Zertifikat ist gratis, die Tests müssen es auch sein“, sagte der Vorsitzende des Parlamentsausschusses für bürgerliche Freiheiten, Juan López Aguilar. EU-Justizkommissar Didier Reynders wandte hingegen ein, dass die Kostenübernahme für medizinische Leistungen in der Kompetenz der Mitgliedstaaten liege und nicht von Brüssel aus vorgeschrieben werden könne.

Das EU-Parlament sollte am Mittwochnachmittag zunächst über entsprechende Änderungsanträge an den von der Kommission vorgelegten Plänen abstimmen. Das Abstimmungsergebnis über den finalen Text soll Donnerstagmorgen vorliegen. Anschließend beginnen die Verhandlungen mit dem Rat der Mitgliedstaaten.

Justizkommissar Reynders warnte die Abgeordneten davor, sich einer Einigung zu widersetzen. „Wenn wir politisch liefern, wird die technische Lösung rechtzeitig fertig sein.“ Andernfalls drohe ein Flickenteppich in Europa, „mit einer Vielzahl von möglicherweise inkompatiblen nationalen Lösungen“. Das Zertifikat soll nach derzeitigen Plänen rechtzeitig zu Beginn der Sommer-Tourismussaison Ende Juni eingeführt werden.

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