EU-Kommission verschiebt Entscheidung zu Nachhaltigkeit von Gas- und Atomenergie

EU-Kommission
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Die EU-Kommission hat die Bewertung der Nachhaltigkeit von Gas- und Atomenergie und somit die Entscheidung über die Förderwürdigkeit entsprechender Projekte verschoben. Die Brüsseler Behörde ließ die beiden umstrittenen Energiequellen in ihrem am Mittwoch vorgestellten Rechtsakt zur Definition von grünen Finanzprodukten außen vor. Auch Investitionen im Bereich der Landwirtschaft wurden vorerst ausgeklammert.

Im Fall der Atomenergie verwies die Kommission auf einen bislang nicht finalisierten Experten-Bericht. Der zwar fertige Report werde derzeit noch von zwei weiteren Experten-Gremien geprüft, erklärte die Behörde. „Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, wird die Kommission auf der Grundlage der Ergebnisse (…) Folgemaßnahmen ergreifen.“

„Die Aufnahme von Erdgas wurde einer technischen Bewertung und einer öffentlichen Konsultation unterzogen“, erklärte die Kommission weiter. Dabei habe sich „ein breites Spektrum an Ansichten der Interessengruppen“ ergeben. Im Laufe des Jahres soll demnach ein ergänzender Rechtsakt speziell zur Einstufung der Umweltverträglichkeit von Erdgas folgen.

Über die Rolle von Gas- und Atomenergie wird in Europa seit Jahren heftig gestritten. Deutschland etwa besteht auf der Förderwürdigkeit moderner Gas-Kraftwerke als Übergangstechnologie, während Umweltschützer jegliche Förderung fossiler Brennstoffe ablehnen. Neue Atomkraftwerke sollen nach Ansicht von Frankreich und einiger osteuropäischer Länder grundsätzlich als nachhaltig und somit förderwürdig eingestuft werden.

Auf das Rahmenregelwerk zur Klassifizierung nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten hatten sich die EU-Mitgliedstaaten, Kommission und Parlament bereits Ende 2019 grundsätzlich verständigt. Die beiden Streitthemen Gas und Atom wurden aber schon damals aufgeschoben. Stattdessen sollte die Kommission im Einklang mit der Wissenschaft delegierte Rechtsakte erlassen, um die Definitionen nachhaltiger und annähernd nachhaltiger Aktivitäten klar zu definieren.

Auch Investitionen in der Landwirtschaft bekommen vorerst noch kein Nachhaltigkeitssiegel. „In Anbetracht der laufenden interinstitutionellen Verhandlungen über die Gemeinsame Agrarpolitik wurde beschlossen, die Einbeziehung des Agrarsektors bis zum nächsten delegierten Rechtsakt zu verschieben“, erklärte die Kommission. Nach Angaben der Behörde deckt der vorgestellte Rechtsakt dennoch die Aktivitäten von rund 40 Prozent der Firmen in der EU ab.

Daneben schlug die Kommission ein neues Regelwerk vor, das Unternehmen dazu verpflichten würde, Informationen zur Nachhaltigkeit ihrer Geschäftsaktivitäten offenzulegen. Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sollen davon vorerst ausgenommen bleiben.

Allerdings weist die Kommission darauf hin, dass „viele KMU sich mit wachsenden Anfragen nach Nachhaltigkeitsinformationen konfrontiert sehen – typischerweise von Banken, die ihnen Geld leihen, und großen Unternehmen, die sie beliefern“. Voraussichtlich werde das Sammeln und Weitergeben von Nachhaltigkeitsinformationen bald ohnehin für Unternehmen jeder Größe gängige Geschäftspraxis.

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