Europaparlament stimmt über Post-Brexit-Abkommen ab – Ergebnis erst am Mittwoch

London und EU
London und EU

Das Europaparlament hat am Dienstagabend über das mit Großbritannien geschlossene Handelsabkommen abgestimmt – jedoch soll das offizielle Ergebnis erst am Mittwoch (09.00 Uhr) bekannt gegeben werden. Es wird ein Votum zugunsten des Vertragswerks erwartet. Vertreter aller Fraktionen betonten bei der Parlamentssitzung die Notwendigkeit, die Beziehungen nach dem Brexit auf eine neue Grundlage zu stellen. Nach einseitigen Verstößen Londons gegen das bereits geltende Austrittsabkommen gab es aber auch deutliche Warnungen an Premierminister Boris Johnson.

EU-Parlamentspräsident David Sassoli begrüßte die Abstimmung: „Das Europäische Parlament hat heute über das weitreichendste Abkommen abgestimmt, das die EU jemals mit einem Drittland geschlossen hat“, erklärte er. „Dies kann das Fundament bilden, auf dem wir eine neue, zukunftsorientierte Beziehung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich aufbauen.“ Es sei in „unser aller Interesse, dass diese neue Beziehung funktioniert“.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen drohte bei neuen Verstößen Großbritanniens mit Sanktionen. „Das Abkommen kommt mit wirklichen Zähnen“, sagte von der Leyen vor den Abgeordneten in Brüssel. Die EU habe die Möglichkeit, „einseitige Korrekturmaßnahmen“ wie Strafzölle oder Einfuhrquoten zu verhängen. „Wir werden nicht zögern, es zu tun, wenn nötig.“

Auch die französische Regierung drohte London mit „Vergeltungsmaßnahmen“, falls die Vereinbarungen zu Fangrechten für EU-Fischer in britischen Gewässern nicht eingehalten würden. Europastaatssekretär Clément Beaune sagte im Sender BFM Business, Großbritannien werde sonst keine Zugeständnisse für den Zugang seiner wichtigen Finanzindustrie zum europäischen Kontinent erhalten.

Der Vorsitzende des Handelsausschusses, Bernd Lange, kritisierte Überlegungen in Großbritannien, Exportzonen einzurichten, „die unter Dumpingbestimmungen agieren sollen“. Auch Pläne zur Änderung der Arbeitszeitgesetzgebung könnten London „unlautere Vorteile“ bringen.

„Aus Erfahrung wissen wir, dass die britischen Konservativen jede Gelegenheit nutzen werden, um sich rechtlichen Verpflichtungen zu entziehen“, sagte Linken-Ko-Fraktionschef Martin Schirdewan. Dann müsse die EU „mit aller Konsequenz“ reagieren.

Großbritannien war nach dem Brexit im vergangenen Jahr zum 1. Januar auch aus dem EU-Binnenmarkt und der europäischen Zollunion ausgetreten. Das als Ersatz geschlossene Abkommen sieht im beiderseitigen Handel den Verzicht auf jegliche Zölle und mengenmäßige Beschränkungen vor. Bisher ist die Vereinbarung bis Ende April nur vorläufig in Kraft. Durch die Ratifizierung des EU-Parlaments würde sie dauerhaft gelten.

Das Parlament hatte die Ratifizierung lange hinausgezögert. Grund war der Streit mit Großbritannien um Zollkontrollen in Nordirland. Die EU wirft Großbritannien vor, gegen das Nordirland-Protokoll im bereits in Kraft befindlichen Brexit-Abkommen zu verstoßen, das offene Grenzen zwischen der britischen Provinz und dem EU-Mitglied Irland garantieren soll.

Der grüne Ko-Fraktionschef Philippe Lamberts machte die „Lügen“ von Premierminister Johnson für das jüngste Wiederaufflammen der Gewalt in Nordirland verantwortlich. Der Konservative Christophe Hansen aus Luxemburg warnte, die britische Regierung dürfe eine Annahme des Abkommens „nicht fälschlicherweise als Blankoscheck verstehen“. Die FDP-Abgeordnete Nicola Beer nannte aber „eine weitere Hängepartie (…) verantwortungslos“, denn das Abkommen verhindere trotz Defiziten endgültig einen „harten Brexit“.

Von der Leyen sprach „von einigen Fortschritten“ in den Verhandlungen über den Streit zu Nordirland. In den vergangenen Tagen habe es „eine neue, konstruktive Dynamik“ gegeben, sagte sie, ohne Details zu nennen. Nächster Schritt sei die Vereinbarung konkreter Termine und Etappen für die Umsetzung des Nordirland-Protokolls. „Wir brauchen Lösungen, keine Worthülsen“, sagte sie.

Nach Beratungen der Fraktionen vergangene Woche hatte der SPD-Politiker Lange eine klare Zustimmung für das Abkommen vorhergesagt. Er ging davon aus, dass der Vertrag „mindestens mit einer Drei-Viertel-Mehrheit“ verabschiedet wird. Lange verwies dabei darauf, dass die EU-Kommission fast alle Wünsche der Abgeordneten nach stärkerer Mitsprache bei Umsetzung und Kontrolle des neuen Abkommens erfüllt habe.

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