Im Strafprozess um den gewaltsamen Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem Polizeieinsatz haben Zeugen schockierende Eindrücke vom Tatort geschildert. Der Sanitäter Derek Smith sagte am Donnerstag vor dem Gericht in Minneapolis, beim Eintreffen der Rettungskräfte sei Floyd bereits „verstorben“ gewesen, der angeklagte weiße Polizist Derek Chauvin habe zu diesem Zeitpunkt aber noch sein Knie auf Floyds Nacken gehabt. Floyds Freundin Courteney Ross berichtete unter Tränen von ihrer Beziehung zu dem Getöteten.
Smith sagte, er habe nach der Ankunft am Tatort zuerst versucht, Floyds Puls an dessen Halsschlagader zu fühlen. „Ich habe keinen (Puls) gespürt“, sagte er vor Gericht. „Um es laienhaft zu sagen: Ich dachte, er sei tot.“ Im Rettungswagen hätten er und sein Kollege Seth Bravinder versucht, Floyd mit einer Herzdruckmassage sowie einem Defibrillator wiederzubeleben – ohne Erfolg. Bei Ankunft im Krankenhaus habe Floyd noch immer einen „Herzstillstand“ gehabt, sagte Smith. Auch Bravinder sagte aus, Floyd sei „unansprechbar“ gewesen. „Ich habe nicht gesehen, dass er sich bewegt oder atmet.“
Auch Chauvins Schichtleiter am Tag von Floyds Tod, David Pleoger, machte am Donnerstag seine Aussage vor Gericht. Auf die Frage nach seiner Haltung zum brutalen Vorgehen der Beamten sagte der inzwischen pensionierte Polizist: „Als Herr Floyd keinen Widerstand mehr gegen die Beamten leistete, hätten sie ihre Bezwingungsmaßnahmen beenden können.“
Es handelte sich um den vierten Verhandlungstag in einem weltweit beachteten Strafprozess. Floyd war im vergangenen Mai bei einem Polizeieinsatz wegen eines mutmaßlich gefälschten 20-Dollar-Scheins umgekommen. Ein mit einem Handy aufgenommenes Video hält seinen über neunminütigen Todeskampf fest. Es zeigt, wie Chauvin dem 46-Jährigen minutenlang das Knie in den Nacken drückt, obwohl dieser immer wieder sagt: „Ich bekomme keine Luft“. Floyds Tod löste bis dahin beispiellose Proteste der Black-Lives-Matter-Bewegung gegen Rassismus und Polizeigewalt aus.
Der 45-jährige Chauvin ist wegen Mordes und Totschlags angeklagt, bei einem Schuldspruch drohen ihm bis zu 40 Jahre Haft. Der inzwischen aus dem Dienst entlassene Polizist weist jede Schuld von sich. Sein Anwalt Eric Nelson macht Floyds Sucht und Vorerkrankungen für seinen Tod verantwortlich.
Floyds Freundin Ross räumte vor dem Juroren-Gericht ihre gemeinsame Abhängigkeit von starken Schmerzmitteln ein. Es handle sich um die „klassische Geschichte von Menschen, die abhängig werden, weil sie unter chronischen Schmerzen leiden“, sagte sie.
Floyd und sie hätten Schmerzmittel auf Rezept genommen, manchmal aber auch Pillen auf der Straße oder dem „Schwarzmarkt“ erworben, berichtete die 45-jährige Mutter, die vor seinem Tod knapp drei Jahre mit Floyd zusammen war. Mehrfach hätten sie versucht, die Sucht zu bekämpfen, seien dann aber wieder rückfällig geworden.
Laut ihrer Aussage war Floyd wegen einer Überdosis im März 2020 für mehrere Tage im Krankenhaus. Danach sei er „clean“ gewesen, bis er zwei Wochen vor seinem Tod offenbar wieder angefangen habe, Pillen zu nehmen.
Als Ross von ihrer ersten Begegnung mit Floyd erzählte, brach sie in Tränen aus. Sie habe Floyd in einer Unterkunft für Obdachlose kennengelernt, in der er als Wachmann gearbeitet habe, sagte Ross. Floyd habe sie gefragt, ob sie gemeinsam mit ihm beten wolle. „Es war so süß“, sagte sie. „Ich hatte jeden Glauben in Gott verloren.“
Bei der Autopsie fanden sich in Floyds Körper Spuren von Fentanyl, eines synthetischen Opioids, das zur Therapie starker und chronischer Schmerzen angewendet wird. Als Todesursache nannte der Bericht jedoch einen Herz-Kreislauf-Stillstand infolge von „Druck auf den Nacken“.