Stuttgarts Oberbürgermeister Frank Nopper (CDU) will Veranstaltungen der Anmelder der sogenannten Querdenken-Demonstration vom Samstag zukünftig verbieten. Aus der Politik in Land und Bund hatte es zuvor Kritik am Vorgehen der Stuttgarter Behörden gehagelt. Tausende Menschen waren am Samstag meist ohne das Einhalten der Corona-Schutzmaßnahmen durch die Innenstadt gezogen, einige von ihnen griffen Journalisten an.
Diese Angriffe verurteilte Nopper am Sonntag „auf das Schärfste“. Zudem kritisierte er, dass sich die für die Versammlung Verantwortlichen entgegen ihrer Zusage nicht an die Corona-Auflagen gehalten hätten. „Es widerspricht zutiefst meinem Gerechtigkeitsempfinden, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Demonstrationen den grundrechtlichen Schutzmantel der Versammlungsfreiheit missbrauchen, um sich den Corona‐Beschränkungen zu entziehen – sich aber andererseits Familien und Freundeskreise an Ostern nur unter Beschränkungen treffen dürfen“, teilte er mit.
Die Stadt werde rechtswidriges Verhalten mit Bußgeldern bestrafen und zukünftige Veranstaltungen dieser Anmelder verbieten, kündigte Nopper an. Gleichzeitig verteidigte Ordnungsbürgermeister Clemens Maier den Verzicht auf ein Versammlungsverbot. „Auf Grundlage der Anmeldungen lagen nach Einschätzung von Stadt und Polizei die Voraussetzungen für ein Verbot der Demonstrationen nicht vor“, erklärte er. Allerdings solle das Geschehen vom Samstag in den kommenden Tagen gemeinsam mit der Landesregierung aufgearbeitet werden.
Nach Polizeiangaben vom Samstagabend waren bei der Demonstration mehr als 10.000 Teilnehmer unterwegs, die größtenteils weder die Abstände einhielten noch Schutzmasken trugen. Zudem kam es zu Ausschreitungen. So wurden Journalisten mit Steinen beworfen. Ein Team der ARD wurde so sehr bedrängt, dass es eine Liveschalte zur „Tagesschau“ abbrechen musste. Ein 37-jähriger Mann wurde vorläufig festgenommen, der dabei einen Journalisten geschlagen haben soll.
Die ARD verurteilte den Vorfall scharf. Journalisten seien Opfer von Gewalt geworden „und die Polizei Stuttgart dreht offenbar Däumchen“, erklärte der Deutsche Journalistenverband (DJV) auf Twitter.
Der Polizei wird vorgeworfen, gegen Rechtsverstöße durch Demonstrantinnen und Demonstranten nicht eingeschritten zu sein. Im Internet kursierte zudem das Bild eines Polizisten, der einem Querdenker-Ordner die Hand schüttelt.
Auch aus der Politik gab es Kritik an den Demonstranten und am Vorgehen der Behörden. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte am Montag, es müse die Frage geklärt werden, „ob solch gefährliche Veranstaltungen in einer so existenziellen Pandemie erlaubt werden müssen, wenn doch absehbar ist, dass ganz zentrale Auflagen der genehmigenden Versammlungsbehörde – in diesem Fall der Stadt Stuttgart – missachtet werden“.
„Wie sollen wir der Bevölkerung erklären, dass sich an Ostern nur fünf Menschen aus zwei Haushalten treffen dürfen, während tausende Demonstranten ohne Maske und Mindestabstand durch die Stadt ziehen“, fragte Uwe Lahl, Ministerialdirektor im Landessozialministerium von Manfred Lucha (Grüne) auf Twitter. Er verstehe nicht, „dass die Stadt sich sehenden Auges in diese Situation manövriert hat“.
Die baden-württembergische SPD forderte eine Sondersitzung des Innenausschusses. „Jetzt aufklären und alles dafür tun, damit das nicht mehr passiert“, twitterte der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Landtag Sascha Binder am Sonntag. Bislang würden Sozial- und Innenministerium und die Stadt die Verantwortung nur hin- und herschieben.
Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) hatte die massenhaften Regelverstöße und die Attacken auf Journalisten schon am Samstagabend scharf kritisiert. Alle Menschen hätten „das Recht, zu demonstrieren“, schrieb Maas auf Twitter. Wenn aber „Tausende ohne Maske und Abstand unterwegs sind, verstößt das gegen jede Regel und erst Recht gegen jede Vernunft“.