Juristin Osmani in erneutem Anlauf zur Präsidentin des Kosovo gewählt

Vjosa Osmani - Bild: Kuvendi i Republikës së Kosovës, Public domain, via Wikimedia Commons
Vjosa Osmani - Bild: Kuvendi i Republikës së Kosovës, Public domain, via Wikimedia Commons

In einem erneuten Anlauf ist die äußerst populäre Juristin Vjosa Osmani zur Präsidentin des Kosovo gewählt worden. Mit 71 Stimmen der 82 anwesenden Abgeordneten des Parlaments in Pristina habe die 38-Jährige die Wahl gewonnen, stellte Parlamentspräsident Glauk Konjufca am Sonntagabend fest. Am Samstag war die Wahl am Boykott der Opposition und der serbischen Minderheit gescheitert, bei einem erneuten Scheitern hätten erneut vorgezogene Neuwahlen gedroht.

Der Abstimmung am Sonntag blieben 38 der 120 Abgeordneten fern. Osmani reichte im dritten Wahlgang aber eine einfache Mehrheit. Nach einer mehrstündigen Blockade am Samstag war die Parlamentssitzung wegen des fehlenden Quorums von 80 Abgeordneten auf den nächsten Tag verschoben worden. Wäre die Abstimmung erneut gescheitert, hätte laut Verfassung wieder eine vorgezogene Parlamentswahl abgehalten werden müssen.

„Ich verspreche, den Staat zu stärken, den Rechtsstaat“, sagte Osmani bei ihrer Vereidigung. Sie wolle „Präsidentin aller“ sein. „Wir sind nicht so viele, dass wir uns spalten sollten“, mahnte sie ihre 1,8 Millionen Mitbürger. Ihre Tür stehe „jedem offen“.

Das Scheitern von Osmanis Wahl im ersten Anlauf war ein Rückschlag für den neuen kosovarischen Regierungschef Albin Kurti. Seine links-nationalistische Partei Vetevendosje („Selbstbestimmung“) hatte bei der Wahl Mitte Februar einen Erdrutschsieg gefeiert und die absolute Mehrheit im Parlament nur knapp verfehlt. 

Kurti zählt zu einer neuen Generation von Politikern, die auf eine Ablösung der alten Garde im Kosovo dringt. Wie Kurti tritt Osmani für die Bekämpfung der Korruption ein.

Die Jura-Dozentin hatte das Präsidentenamt bereits vorläufig übernommen, nachdem Staatschef Hashim Thaci im November wegen einer Anklage vor dem Sondertribunal zur Ahndung von Kriegsverbrechen während des Kosovo-Krieges in Den Haag zurückgetreten war. Der frühere Kommandeur der Befreiungsarmee des Kosovo (UCK) soll mit anderen Angeklagten für knapp hundert Morde sowie Verschleppung, Verfolgung und Folter verantwortlich sein. Thaci weist die Vorwürfe zurück.

Mit der Wahl Osmanis zur Präsidentin wächst der Einfluss von Frauen in dem stark patriarchalisch geprägten Land weiter. In der neuen Regierung werden sechs der 15 Ressorts von Frauen geleitet. Im Parlament sind ein Drittel der Abgeordneten Frauen. „Frauen haben das Recht, da zu sein, wo sie sein wollen“, sagte Osmani den Tränen nahe. „Hört nicht auf, hört nicht auf voranzuschreiten. All‘ Eure Träume können Wirklichkeit werden“, wandte sich die neue Staatschefin an die Frauen.

Außer der Bekämpfung der Korruption gehören auch die Schaffung besserer Lebensbedingungen zu Kurtis und Osmanis Herausforderungen. Der Durchschnittslohn im Kosovo liegt gerade einmal bei 500 Euro. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent wandern viele junge Kosovaren in die Schweiz oder nach Deutschland aus. 

Außerdem dringt die EU, der wichtigste Verbündete des Kosovos, auf einen Dialog des Landes mit Serbien. Belgrad erkennt die 2008 ausgerufene Unabhängigkeit seiner früheren Provinz weiter nicht an. Eine weitere aktuelle Aufgabe der neuen Führung in Pristina ist die Beschaffung von Corona-Impfstoffen.

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