Kinder und Jugendliche in schwierigen Lebensverhältnissen sollen künftig besser geschützt werden und mehr Rechte bekommen. Der Bundestag verabschiedete am Donnerstag eine umfassende Reform des Kinder- und Jugendschutzes, von der vor allem junge Menschen in Heimen, in schwierigen Elternhäusern und in Pflegefamilien profitieren sollen. Heime und ähnliche Einrichtungen werden einer strengeren Aufsicht und Kontrolle unterstellt. Ärzte sollen enger mit dem Jugendamt zusammenarbeiten, um einen Verdacht auf Kindswohlgefährdung schneller melden zu können.
Das neue Gesetz solle vor allem junge Menschen unterstützen, die „in einem schwierigen Umfeld aufwachsen und belastenden Situationen ausgesetzt sind“, erklärte Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD). Diese könnten oft „nicht in gleicher Weise teilhaben und Chancen nutzen wie andere“. Insgesamt gehe es um „1,1 Millionen junger Menschen mit einem besonderen Unterstützungsbedarf“. Giffey rief den Bundesrat auf, der Vorlage zuzustimmen.
Für das Gesetz stimmten die Koalitionsfraktionen von SPD und Union sowie die Grünen. AfD und Linke votierten mit Nein, die FDP enthielt sich. Mit der Neuregelung soll auch die Kooperation zwischen der Kinder- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen, den Strafverfolgungsbehörden sowie den Familien- und Jugendgerichten verbessert werden.
Ärzte, die sich bei Verdacht auf Kindeswohlgefährdung an das Jugendamt wenden, sollen in Zukunft auch eine Rückmeldung über die anschließende Gefährdungseinschätzung erhalten.
In Notsituationen sollen sich die Kinder und Jugendlichen künftig an eine Erziehungsberatungsstelle in ihrer Umgebung wenden können und dort unbürokratisch Hilfe erhalten. In den Ländern sollen Ombudsstellen eingerichtet werden, um Entscheidungen der Behörden beanstanden zu können.
Kinder und Jugendliche in Heimen und Pflegefamilien sollen zudem mehr Möglichkeiten haben, sich über Missstände zu beschweren. Kinder in Pflegefamilien sollen andererseits auf Anordnung des Familiengerichts dauerhaft in diesen verbleiben, wenn dies für das Wohl des Kindes erforderlich ist.
Außerdem können junge Menschen in Pflegefamilien und Einrichtungen der Erziehungshilfe künftig deutlich mehr von dem Geld behalten, das sie bei Schülerjobs, Praktika oder einer Ausbildung verdienen. Bislang dürfen sie dafür nur ein Viertel behalten, künftig sind es 75 Prozent. Ein Freibetrag von 150 Euro des Einkommens wird von der Kostenbeteiligung ausgenommen. Einkommen aus kurzfristigen Ferienjobs und ehrenamtlicher Tätigkeit werden komplett freigestellt.
Mit der Gesetzesnovelle werden außerdem die staatlichen Leistungen und Hilfen für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen künftig in einem Gesetz gebündelt werden. Prinzipiell soll die Inklusion als Leitgedanke in der Kinder- und Jugendhilfe verankert werden. In Deutschland werden aktuell nach Ministeriumsangaben rund 360.000 Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in unterschiedlichen Systemen unterstützt.
Die Diakonie und andere Sozialverbände zeigten sich insgesamt zufrieden mit der Neuregelung. „Mit dem Kinder- und Jugendstärkungsgesetz geht der Gesetzgeber einen wichtigen Schritt auf dem Weg der Verbesserung des Kinderschutzes und der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen“, erklärte Diakonie-Vorstandsmitglied Maria Loheide. Für die Zukunft einer inklusiven Kinder- und Jugendhilfe würden aber „leider nur zögerlich die Weichen gestellt“, denn es solle erst in sieben Jahren umgesetzt werden.